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antiken Götterhimmel nur mehr als schamloses Pack gelten lässt, und den von der Dichtung um sie gewobenen Geschichtenkranz als Verführungsmittel Satans:

(P. R. IV/339 ff.)

they loudest sing

The vices of their deities, and their own,

In fable, hymn or song, so personating

Their gods ridiculous and themselves past shame
Remove their swelling epithets thick laid

As varnish on a harlot's cheek

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(P. R. II/351-61) Satan versucht Christus; dieser sieht:

in order stood

Tall stripling youths rich clad, of fairer hue
Than Ganymed or Hylas; distant more
Under the trees now tripp'd, now solemn stood
Nymphs of Diana's train, and Naiades
With fruits and flowers from Amalthea's horn,
And ladies of th' Hesperides, that seem'd
Fairer than feign'd of old, or fabled since
Of fairy damsels met in forest wide

By knights of Logres, or of Lyones,
Lancelot, or Pelleas, or Pellenore.

Milton begann mit der 'Cavalier Alternative' des Comus etwa noch, hat den Höhepunkt in den Kompromissen des Paradise Lost und endet mit der 'Puritan Alternative' des Paradise Regained. Da diese sich ändernde Stellungnahme zur klassischen Mythologie aber nicht nur in einer Entwicklung begründet ist, sondern in seinem innersten Wesen von Anfang an, ist eine Zwiespältigkeit da. Mag der Alternde, dessen dichterische Kraft nicht mehr so biegsam war, immerhin nur die Bibel (und sein eigenes Werk) gelten lassen, der Grieche in ihm konnte nicht sterben, ehe der Dichter starb, und diesen Zwiespalt beweist nichts deutlicher als die besondere Verwendung der Mythologie vor und nach der grossen Absage, eine Verwendung in verschleiertem Zustand nämlich durch Verwendung der dichterischen Werte möglichst ohne Anspielung auf die Vorbilder, oft also nur dem Kenner der antiken Mythologie kenntlich. Für den sind sie aber nicht geschrieben; ebenso wenig sind sie gedacht als die künstlerisch reizvolle Arabeske, die wir kennen lernten. Es ist weniger eine Nachahmung, als eine unvollendete Negierung

der Antike. Er ist derart mit der antiken Vorstellungswelt verwachsen, dass sich ihm Eindrücke ungewollt in die Plastizität griechischer Dichtung übersetzen. Insofern hat das mythologische Bild nicht das Leblose, das die Renaissancekonvention in der Dichtung so oft hat, und es kann ihn nicht der Vorwurf treffen, den besonders der erwachende französische Klassizismus den stereotypen homerischen Epithetis gegenüber ausspricht. Gerade weil es nicht blosse Nachahmung ist, sind seine 'homerischen' Epitheta eher einmalige als stereotype (vgl. Raleigh/Milton p. 205). Zahllose Beispiele dieser Art sind in seinen Dichtungen zu finden, sie sind umso auffälliger, je mehr die eigentliche Mythologie zurücktritt, besonders im P. R. Natürlich lassen sich auch in früheren Dichtungen Beispiele finden, so in Comus, wo die Ereignisse Odysseus-Circe in der Geschichte Comus-Lady verwendet werden. Als Muster solcher Art sei eine Stelle hier angeführt: (P. L. IV/453-468). Eva entdeckt ihr Bild im Wasserspiegel wie Narzissus:

Not distant far from thence a murmuring sound
Of waters issu'd from a cave and spread

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..

a voice thus warn'd me: 'What thou seest, What there thou seest, fair creature, is thyself

с

Derartige Anklänge sind, wie das Beispiel zeigt, oft so ausführlich, dass bei einem geringeren Dichter der Vorwurf des Plagiats erhoben werden könnte. Meist ist das mythologische antike Vorbild jedoch angedeutet: morn, Waked by the circling Hours, with rosy hand Unbarred the gates of light'. Hierbei ist Eos nicht genannt, dafür der Morgen personifiziert, sind die Horen nicht genannt, dafür die Stunden personifiziert; alle Epitheta der griechischen Mythologie sind geblieben (P. L. VI/2-4). In diesem Sinne wird dann die Personifizierung von Naturkräften, die bei Shakespeare als Vermenschlichung sich äusserte, zur Vergöttlichung:

(P. L. III/1 ff.) Hail holy Light, offspring of Heav'n first born Or of th' Eternal co-eternal beam

May I express thee unblam'd? since God is Light

(P. L. IV/32 ff.) O thou that with surpassing glory crown'd
Look'st from thy sole dominion like the God

Of this new world.. (Sonne vergöttlicht).

Diese Art ist dann besonders häufig im P. R., hier nur ein Beispiel: (IV/426 ff.) Morning fair

....

Who with her radiant finger stilled the roar

Of thunder, chased the clouds, and laid the winds.

Ja sogar im S. A., wo doch der Stoff schon griechische Mythologie auszuschliessen scheint, ist die Stelle (499-501):

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That Gentiles in their parables condemn

To their abyss and horried pains confined,

womit auf die Tantalus- und Prometheusmythen angespielt wird. Gewiss, früher hätte er die Geschichte erzählt; da er sich der Antithese Antike-Christentum fast schmerzlich bewusst ist, behält er nur den dichterischen Ausdruck ohne Nennung des mythologischen Vorwurfs mehr scheint dem Christen nicht möglich zu sein. Von Miltons Standpunkt war eine Lösung nicht möglich. Entweder man erinnert sich des heidnischen Vorbildes nicht bei einer solchen Mythologieverwendung, dann ist es eine Umgehung des Konfliktes, und was übrig bleibt, sind, grob gesagt, die Epitheta; oder aber der mythologische Vorwurf kommt einem ins Gedächnis, auch ohne seine Nennung, dann steht der Konflikt ebenso unvermittelt da, wie bei den übrigen Kompromissversuchen. Z. B. ist das der Fall, wenn Samson von verzauberten Bechern und lockendem Gesang spricht, anspielend auf die Mythen von Circe und den Sirenen; oder wenn der Chor von dem self-begotten bird singt, als ob ihm die Mythe vom Phoenix bekannt wäre.1)

So spiegelt die Miltonsche Verwendung der Mythologie den Kampf zweier Kulturen, der Renaissancekultur und der puritanischen. Es ist der typische Ausdruck und die notwendige Entsprechung

1) Mit der Phoenixsage ist religiöse Wertung verbunden. Es muss nicht notwendig Herodot oder einer der lateinischen Dichter als Quelle gelten, sondern ebensogut des Laktanz De Ave Phoenice. Für einen Dichter wie Quarles jedenfalls (Divine Poems Hadassa Introd. p. 91) ist Phoenix ausschliesslich christliches Symbol. Ähnlich Ph. Fletcher in Purple Island II/1.

einer Zeit, die B. Wendel (The Temper of the 17. C) die time of disintegration' nennt und alle Versuche, dem Werk Miltons, den er den einzigen Dichter dieser Zeit nennt, eine in sich ruhende Einheit in diesem Sinne zuzuerkennen, können den Antagonismus nur mehr enthüllen.

IV.

Andere puritanische Dichter.

Miltons Dichtung, der Ausdruck in klassischer Form konzipierten puritanischen Gehalts, wurde in Vorstehendem eingehend auf die Verwendung der klassischen Mythologie hin untersucht. Mit dem Ergebnis, dass auf die Dauer keine der Mythologiedeutungsarten, die zu seiner Zeit lebendig waren und auch von puritanischer Seite eifrig unterstützt wurden, ihm genügen konnte, ja dass er künstlerisch deren Abschluss darstellt, indem er neben eigenen mythenbildenden Versuchen christlichen Sinnes schliesslich unter völliger Ablehnung der Mythologie der Antike und einziger Beibehaltung eines formellen Klassizismus auf die biblische Mythologie zurückgreift. Gegenüber Miltons Verhalten, das symbolisch das Verhalten zur Kultur der Antike überhaupt andeutet, ist die Betrachtung anderer puritanischer Dichtwerke nebensächlich. Denn da das Werk anderer puritanischer Dichter nicht in klassischer Form konzipiert war, konnten sie ebensowenig wie die eingangs exemplifizierend herangezogenen Künstler des Barock die Mythologie als etwas Integrierendes empfinden; anderseits aber, der Stellung jener entgegengesetzt, hinderte sie die puritanische Überzeugung an der Verwendung der Mythologie als ornamentalen Schmucks. So können sie Milton vorwegnehmend oder ihn wiederholend nur verschiedene Phasen seiner Stellungnahme repetieren, meist jedoch ohne seinen Entwicklungsgang irgendwie nennenswert nacherlebt zu haben. Von den Dichtern, die wegen des als Unterton mitschwingenden sittlichen Ernstes in den Anfang der Entwicklungslinie puritanischer Dichtung gestellt werden können, und von den Puritanern auch gestellt wurden, ist Spenser in dem vorliegenden Fall am wenigsten ergiebig. Seine poetische Konzeption umfasste die klassische Mythologie mehr als malerisches Beiwerk, das sich als ein Faktor wie die Musik des Worts u. a. m. seinem künstlerischen Weltbild einordnete. Gerade die reichliche Verwendung geht mit einem Verschlossensein des tieferen Sinnes zusammen. Bei ihm wie bei der ganzen Renaissancepoesie bilden die heidnischen

Gottheiten schon notwendige Requisiten, und die Art, wie er Mythologie und christliche Anschauungswelt friedlich nebeneinander laufen lässt, beweist, dass er von seinem Standpunkt die Gegenaktion sowohl eines Savonarola und Tasso wie eines du Bartas nicht hätte verstehen können.1) Sidney dagegen, der weiter als die meisten seiner Zeitgenossen zu einem wirklichen Verständnis der Antike vorgedrungen war, dem dadurch und durch seinen christlichen. Standpunkt, trotz aller Renaissancezugehörigkeit, das Ankämpfen der Kirchenväter gegen die abgöttische Mythologieverwendung wohl verständlich war, meidet in seinem Werk sowohl eine Umbiegung wie eine überreichliche Verwendung der klassischen Mythologie. Sich des Deckmantels der antiken Religion, besonders bei Berührung religiöser Fragen, zu bedienen, war ihm unmöglich und lieber gibt er, seiner eigenen Theorie eigentlich widersprechend, ein Gemisch heidnischer und christlicher Begriffe. Aber auch da verfährt er so, dass nichts dem christlichen Empfinden widerspricht. Nur in vereinzelten Fällen zieht eine der Figuren der Arkadia oder der Dichter selbst Gestalten der antiken Mythologie oder Sage zum Vergleich mit anderen Geschehnissen heran, aber in einer natürlich wirkenden, dem Fall angepassten Art und Weise, die völlig frei ist von der gesuchten Gelehrsamkeit eines Lily. Es geschieht mehr in einer der Renaissance ebenfalls vertrauten Empfindung, Parallelen aus der nach in der Gegenwart nutzbaren Lehren durchstöberten Antike aufzuzeigen (vgl. Brie/Sidneys Arc. S. 197 ff., daselbst auch die Belege). Sowie dann nicht mehr weltliche sondern religiöse Themen den Dichtern vorliegen, ist ein weiteres Zurücktreten der antiken Mythologie ja selbstverständlich. Dass trotzdem die Spenserschule und also auch Phineas Fletcher an einem reichlichen Gebrauch festhält, ist nach dem Vorbild des Meisters zu erwarten. Sein Stoff scheint die Antike auszuschliessen, mehr noch als der Spensers, und die Anspielungen auf antike Mythen, die er nach dessen Vorgang als einziges Erbe der Liebe zur antiken Dichtung in seinem Epos anbringt, wirken fremd in der vom Geist mittelalterlicher Allegorie durchdrungenen Dichtung. Die an sich vielleicht mittelalterliche, aber in ihren Ergebnissen Antike und Christentum als fremde Mächte enthüllende Mythologiedeutung der Theoretiker war bei den Dichtern erst unvollkommen erwacht, die offenkundige

1) Die Resultate von A. E. Sawtelle/The Sources of Spenser's Classical Mythology, Boston 1896, konnte ich leider nicht vergleichen, da das Buch laut Auskunftsbüro nur an der Universitätsbibliothek Strassburg vorhanden.

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