Page images
PDF
EPUB

kreises und einer geistigen Strömung steht, ist überaus charakteristisch. Wir wollen betrachten einerseits Lyly und Shakespeare, anderseits Milton.

Ein Geheimnis der Lebendigkeit der elisabethanischen Dichtung ist ihr Vermögen, dem Auge gerade so zu schmeicheln wie dem Ohr, beidem kam die Mythologie mit ihrer Fülle von Bild und Klang entgegen. Die Zeit bedurfte des Schmucks, wie es auch die Kirche verrät, die nicht ohne Absicht, die durch das allgemeine Gebetbuch vorgeschriebene Liturgie, Priesterornat, musikalische Ausschmückung des Gottesdienstes nach katholischem Muster beibehielt. Die Art, mit der die Dichter die neuen Provinzen der Schönheit an sich rissen, hat man nicht mit Unrecht dem Abenteurergeist verglichen, der einen Drake und Hawkins erfüllte. Holland (der Pliniusübersetzer 1601) bezeichnet sein Unternehmen als Eroberung. Es ist wirklich etwas von dem Gefühl der Befreiung aus der allzugeistigen Welt des Mittelalters und der überschäumenden Freude bei der Entdeckung der Welt der Sinne, die Walter Pater mit so beredten Worten schildert, was uns entgegenweht bei der Betrachtung, wie auch englische Renaissancedichter die klassische Mythologie aufgreifen. Einfluss hat auch der Umstand, dass zunächst nicht griechische Quellen zur Verfügung standen, sondern Ovid. Die glänzende, sinnenfreudige Kunst Ovids, des am wenigsten übersinnlichen der Klassiker, des durchaus ästhetisch gerichteten Künstlers, wurde das Credo und der beherrschende Einfluss der Mythologie verwendenden englischen Renaissancedichter. Allerdings diesen als eine Bereicherung der Dichtung anmutenden Eindruck von der Verwendung der klassischen Mythologie erhalten wir erst bei den Werken der elisabethanischen Hochrenaissance,1) besonders also in den Werken der volkstümlichen Dramatiker und bei dem höchsten Repräsentanten Shakespeare. Die Frühzeit macht einen wesentlich auderen Eindruck. Diese Verschiedenheit beruht auf mangelndem ästhetischem Empfinden und äussert sich in der Ungeschicktheit, wie der mythologische Prunk als ornamentale Zugabe verwendet wird, so nämlich, dass er unassimiliert und als Ballast wirkt nicht aber ist die Verwendung der mythologischen Zutaten in dieser Zeit generell verschieden von der Art eines Shakespeare etwa. Das ist hier, wo wir den ästhetischen Gesichtspunkt vorerst möglichst

1) Ich behalte die Bezeichnung Renaissance bei, obwohl vom formellen Standpunkt aus Barock einzig gerechtfertigt erscheint, um nicht durch neue Bezeichnungen wie Hochbarock zu verwirren.

X

ausschalten, entscheidend. Diese frühen Renaissanceleute1) haben nichts von der mässigen Zurückhaltung, die wir bei den englischen Humanisten finden, nichts von dem Gefühl der Unvereinbarkeit dieser heidnischen Götterwelt mit dem Christen gott, das in den

[ocr errors]

1) Wenn wir zur Verbreiterung der Basis hier einmal nicht nur die Spitzen heranziehen, so bietet Gascoigne (The Complete Works of George Gascoigne in two volumes ed. J. W. Cunliffe Cambridge 1907 u. 1910) bezeichnende Beispiele. In seiner ersten Periode ist der äusserliche mythologische Schmuck in den Dichtungen reichlich vorhanden. Seiner Beschäftigung gemäss treten zwei Kreise in den Vordergrund: einmal Venus-Cupido nebst gelegentlichen Anspielungen auf die Liebesgeschichten der antiken Götter, anderseits (oft damit verknüpft) der trojanische Krieg. Ausserdem ist stets die Rede vom 'mighty thundring Jove' (1/53 vgl. auch ibid. 59, 121, 328 u. ö.), von Phoebus (I/57, 331, 333, 408 f. u. ö.), Titan (1/55, 59, 111 U. Ö.) jeweils als poetisches Mittel ohne weitere mythologische Bedeutung. In gleicher Weise geschieht die stereotype Verwendung von Venus und Cupido (dafür wie übrigens auch für die beliebte Heranziehung des trojanischen Kriegs bietet schon Surrey Beispiele [vgl. Tottels Miscellany [Arber Reprint] p. 13, 15, 18, 20, Cupide's scourge p. 5, hewe p. 5, wounde p. 9, blind Cupide p. 24 u. ö.]). Bei Gascoigne etwa p. 53, 54, (cruel Cupid) 88, 118, (Cupides maze) 332, 338 u. ö. Am ausgiebigsten findet der Heroensagenkreis der Ilias (und auch Odyssee) Verwendung, der ja Gelegenheit bietet, auch die Götterwelt heranzuziehen. Z. B. I/54 (Paris, Venus, Minerva), 55, 90, 100-102 (Aufführung aller Helden des trojanischen Kriegs, dabei Jupiter, Cupido, Venus, Mars und eine Anspielung auf die Danaemythe, ebenfalls ohne weitere Verwertung), 109, 164, 331, 414 und oft. PenelopeOdysseus wird genannt z. B. I/104, 461. Die Götter Mars und Athene des öfteren z. B.: 1/141, 328, 332, 336 usw. Auf die Jasonsage wird (ohne Namennennung) einmal angespielt (I/141), Dido-Aeneas tritt öfter auf, z. B. I/340 stets tritt dabei die bestimmte mythologische Geschichte in den Hintergrund gegenüber dem prunkenden Schmuck der Namen, der Attribute oder dem Stolz der eigenen Belesenheit. Wie eine Musterkarte dieser Mythologieverwendung erscheint das Gedicht: 'In prayse of a Countesse' (I/336), aus dem ich eine Strophe zur Illustration anführe:

And bloudy Mars by chaunge of his delight
Hath made Joves daughter now mine enemie :
In whose conceipt my Countesse shines so bright,
That Venus pines for burning jelousie:

She may go home to Vulcane now agayne,

For Mars is sworne to be my Ladies swayne etc.

Ebenso unter gänzlichem Verzicht auf die Bedeutung ist die Mythologieverwendung in 'The Princely Pleasures at Kenelworth Castle', wo die Figuren im Kostüm der antiken Gottheiten erscheinen. Wir verweisen darauf nur, um das Gleichgestimmte solcher Festlichkeiten und des Mythologiegebrauchs der Dichter zu belegen. Einmal allerdings, in einer Parenthese, mag eine moralische Deutung leise anklingen (II/108: [Cirrces like]) und das würde dann die zweite Periode Gascoignes einleiten, in der er, älter und krank, eine Busspredigerstimmung herauskehrt, die sich in gar nichts vom späteren Puritanismus

lateinischen Gedichten eines Humanisten wie Ascham schon so deutlich hervortritt und diese Humanistengruppe über den trennenden Berg der elisabethanischen Dramatik hinweg ideell mit der Art des grossen puritanischen Dichters verbindet.') Leute wie Pettie und Lyly unterscheidet. Jetzt, und das ist das Bezeichnende, wird genau entsprechend den Resultaten, die wir in den weiteren Abteilungen dieses Kapitels sich ergeben sehen werden, die Verwendung der Mythologie bedeutend sparsamer und für moralische Zwecke eingespannt. II/242 in 'The Viewe of Worldly Vanities' ist Tantalus mit dem Geizhals verglichen, der inmitten seines Reichtums Not leidet, mit der Marginalbemerkung: 'of covetousnesse', jetzt heisst es (ibid. 247): 'and their belly delicately fed, dothe redely desyer to accomplish the worckes of Venus. O extreme filthinesse . . .', jetzt ist die häufige Anspielung auf Medea und Circe (z. B. p. 461, 465) unzweifelhaft moralische Wertung, wie die Stelle in: 'A Delicate Dyet for Droonkards' (II/464) beweist: 'Medea, Circe, and such other coulde Metamorphose and transforme men into Beastes, Byrdes, Plantes, and Flowres: meaning therby, that whosever is so blinded in sensuality, that forgetting his intellectuall reasons, & the better part of his understãding, he follow the appetite and concupiscence of nature, he shal without doubt transforme him self, or be transformed from a man to a Beast, &c. Damit ist schon vorgegriffen, die volle Bedeutung der prinzipiell verschiedenen Stellung Gascoignes zur antiken Mythologie in seiner ersten und in seiner zweiten Periode wird sich erst vom Schluss des ganzen Kapitels aus rückblickend erkennen lassen. 1) Mythologieverwendung bei Ascham äusserst mässig, auch bei den wenigen lateinischen Gedichten, deren Stoffe christianissimi sind. Ja es findet sich ein Vorklang der puritanischen Antithese Antike-Christentum;

Nunc sileant prisci Mavortia facta tyranni,

Alcides, Bacchus, caetera turba ducum.
Alcides Jovis est, servit tua dextera Christo,
Auspice sunt Christo cuncta peracta tibi.

His tantum praestant nostri stratagemata regis,
Quantum tu praestas, optime Christe, Jovi.

Das Heidentum wird dabei gewissermassen mit dem Papsttum identifiziert: Perdite Papa peris: tua vincla repellimus omnes (Widmungsgedicht an Heinrich VIII. Works. Lond. 1865 III/278). Solche schon puritanische Einstellung wird schärfer z. B.: Sus Romana furit, rabies Babylonica saevit.. (ibid. 291). Vgl. auch Aschams Ansätze einer moralisch-rationalistischen Ausdeutung: (Brief an F. Alan 1551 [Works I, part II p. 290]): forma, pecunia et honor. Formae, praecipuus voluptatis sensus; pecuniae, maximus commoditatis usus; honori, summus dignitatis locus merito tribuitur. His enim tribus rebus tres olim deos, vel imperita vetustas propter usum, vel olim docta poesis propter prudentiam, ingeniose affinxit. Nam voluptati ipsam Venerem; divitiis Plutum; dignitati summum Jovem praeesse voluerunt. . Allerdings hat, das ist zu betonen, diese Ausdeutungsart, die sich innerhalb der Gegebenheiten der Renaissancekonvention bewegt, nicht den Sinn einer Kritik und will gerade das Gegenteil von dem, was die spätere Entwicklung anbahnt: die Loslösung von der Antike. (Im übrigen vgl. dazu die Ausführungen im II. Teil dieses Kap. und im Kap. über den engl. Humanismus).

betrachten die klassische Mythologie einfach als Schatzkammer spannender Geschichten, die man sich möglichst zunutze machen müsse, gänzlich unbekümmert, dass den dichterisch glänzenden Episoden eine Religion zugrunde liege. Man zeigte, dass man sich in der klassischen Literatur auskenne und ahmte die Art antiker Schriftsteller möglichst nach. Mythologische Auspielungen waren demnach unerlässliche Mittel eines Stils, den Lyly der Antike nachbilden wollte (vgl. Feuillerat über „Euphuismus" in: J. Lyly. Cambridge 1910) gemäss den Renaissanceanschauungen, die an Stelle der im Mittelalter herrschenden Logik die Rhetorik setzten, wie es die vielen Rhetorikbücher (siehe unten) uns deutlich vor Augen führen. So ergab sich einerseits, wie gesagt, die Verwendung mythologischen Beiwerks, gleichviel ob passend oder nicht, als ein Stilmittel zum Schmuck einer fortlaufenden Erzählung; anderseits eine stereotype Verwendung mythologischer Figuren (in den Masken z. B.) zur Drapierung oder Verhüllung irgendwelcher Personen, die man darstellen wollte. Besonders hierbei, wo die Mythologie als eine Art Gesellschaftsspiel verwendet wird, als Mäntelchen für irgendwelche Zwecke, ist das Sekundäre in die Augen fallend. In Beispielen wie Lylys ,,Sapho and Phao“ oder „Endimion" ist die mythologische Hülle nicht wesentlich, ist auch durch keine ideelle Note mit dem Thema verknüpft. Die mythologischen Figuren haben auch ihr traditionelles Gesicht verloren, weil sie nur den Namen abgaben für die lebenden Figuren, die der Dichter darunter darstellte. Eine solche Verwendung, die schliesslich nicht mehr als die Namen mit der klassischen Mythologie gemein hat, braucht hier nicht weiter dargelegt zu werden. Auch in Fällen, wo allegorisch die mythologischen Götter stereotyp für gewisse Charaktereigenschaften oder Abstrakta gebraucht werden, handelt es sich um Attrappen, die die mittelalterlichen Moralitäten neu für die Renaissance aufputzen. Interessanter ist die andere Art der mythologischen Anspielung. Sie ergab sich natürlich in einem Zeitalter, wo bei Sprechen und Schreiben das antike Vorbild, die antike Parallele sich unwillkürlich darbot und dem Wort des Sprechers Nachdruck zu verleihen schien. Dabei ist zunächst zu betonen, dass bei dem Renaissancebrauch der mythologischen Anspielung, wo der Name einer antiken Gottheit sich zum Vergleich bietet, als Vorbild, als Beispiel von Tugend oder Laster usw., durchaus nicht gleich an eine moralische Ausdeutung der Mythe zu denken ist (derart wie sie im folgenden Teil dargestellt wird), vielmehr sind die Gottheiten in stereotyper Ver

[ocr errors]

wendung von Zeitalter zu Zeitalter traditionell überliefert worden. So ist Neptun stets zürnend wie die Wellen, die er symbolisiert, Vulkan stets verdammt, die Launen der Gattin zu erfüllen, Diana die keusche Göttin der Ehe, Venus stets die Göttin fleischlicher Lust. (Golding/Vorrede zur Ovidübersetzung: 'By Venus such as of the fleshe too filthie lust are bent). Erst wo wir eine weitergehende Ausdeutung des Inhalts einer bestimmten Mythe finden, könnten wir von einer moralischen Auslegung sprechen. Das ist bei Lyly nicht der Fall. Ein drastisches Beispiel, wie die Mythologie zur Illustration, Intensifizierung einer Behauptung, eines stehenden moralischen Erfahrungssatzes oder dergl. verwendet wird, ist z. B. das folgende: 'We commonly see that a black ground doth best beseme a white counterfeit. And Venus according to the iudgement of Mars, was then most amyable, when she sate close by Vulcanus. (The Complete Works of John Lyly ed. R. Warwick Bond 3 vols. Oxford 1902) (1/181). Zuerst wird der Satz aufgestellt (primär), dann die Illustration, die dem belesenen Autor einfällt, oder auf die er sich besinnt (sekundär). Ähnlich im folgenden: 'Loue knoweth no lawes: Did not Jupiter transforme himselfe into the shape of Amphitrio to imbrace Alcmaena? Into the forme of a Swan to enioye Laeda? Into a Bull to beguyle Iò? Into a showre of golde to winne Danae? Did not Neptune chaunge himselfe into a Heyfer, a Ramme, a Floude, a Dolphin, onely for the loue of those he lusted after? Did not Apollo ... etc. If the Gods thoughte no scorne to become beastes, to obtayne their beloved, shall Euphues be so nyce in chaunging his coppie to gayne his Lady? (I/236). Die Mythologie wird argumentierend gebraucht. Eine Arabeske, ein luxuriöses Ornament, das den vorausgehenden (von mir gesperrten) Satz illustriert. durch erhält der die Erzählung fortführende letzte Satz den Charakter einer Nutzanwendung. Der Verfasser denkt nicht in der Mythologie, sondern er jagt nach Parallelen zu seinen Gedanken: 'I can carous with Alexander, abstaine with Romulus, eate with the Epicure, fast with the Stoyck, sleepe with Endimion' (I/186). . . etc. Er wirft mit Namen um sich, beruft sich kaum mehr auf die mythologische Geschichte, höchstens auf einen Charakterzug der Figur: The Pecock is a Bird for none but Juno, the Doue for none but Vesta: None must wear Venus in a Tablet, but Alexander, none Pallas in a ring but Ulysses. For as there is but one Phoenix in the world, so is there but one tree in Arabia, where-in she buyldeth, and as there is but one Camilla to be heard off, so is ther but one Caesar that she

с

Da

« PreviousContinue »