Page images
PDF
EPUB

Humanistenkreis geht die Entwicklung zum Puritanismus geradezu lückenlos vor sich. Cheke stand mit Martyr und Butzer in Korrespondenz1) und bei Butzers Tod hielt nicht nur Walter Haddon *) sondern sogar Dr. Parker, der spätere Erzbischof von Canterbury, eine Leichenrede (Strype 61). Auch Ascham, der im Herbst 1549 Bucer erstmalig in Cranmers Haus aufgesucht (Katterfeld 76 f.), schloss enge Freundschaft mit ihm, die für Ascham noch bedeutungsvoller wurde, da dadurch die Korrespondenz Sturm-Ascham zustande kam. Solche Beziehungen wurden, wie gesagt, in vielen Fällen im Exil verstärkt. Sir Anthony Cooke, Cheke, Grindal, Jewel usw. lauschten in Strassburg den Vorlesungen des geflüchteten Peter Martyr, und in anderen Zentren 3) des Kalvinismus, besonders Zürich, wurden die Engländer gleichfalls freundlichst aufgenommen (Mullinger II/171). Cheke lernte dabei Kalvin kennen und korrespondierte mit ihm (Thes. Epistol. Calv. no: 1740; 1975; 2029; 2264; 2328; 1701; 1711). Bei Erwähnung des Namens Kalvin ist auch an die französischen Einflüsse zu denken, die sich einmal (wie ein Vers Thomas Mores bezeugt) zusammengehend mit dem italienischen Import der Modeauswüchse dann aber und nachhaltiger in einer

fertigung durch den Glauben usw. Andere Italiener, die in England Zuflucht fanden: Jacopo Calco, Giulio Terenziano, Jacopo Acontio, Alessandro Cittolini (Briefwechsel mit Ascham), Giulio Borgarucci, Pietro Bizari, Michel Angelo Florio (vgl. Einstein p. 208 ff.).

1) Butzer nennt Cheke in einem Brief 'his most honoured patron' und sandte ihm sein Buch: De Regno Christi Constituendo, wobei er andeutet, dass er es ausser Martyr niemandem gezeigt habe bisher. Martyr stimme mit ihm überein (Strype p. 55 f.).

*) Vgl. Gualteri Haddoni pro Reformatione Anglicana epistola apologetica ad Hier. Osorium (1562). Das Buch des Portugiesen Osorio richtete sich gegen die englische Reformation. Vgl. Wright/Eliz. I/161.

3) Den Geist Strassburgs kennzeichnet Aschams intimster Freund Johann Sturm in der Vorrede zu Kalvin (Lefranc a. a. O. 352) J. S. declare en tête de l'édition frc. de 1545 (der Institutio) Jean Calvin, c'est un homme d'un jugement qui penetre jusques au bout, et d'une doctrine admirable, et d'une memoire singuliere: et lequel en ses ascrits, c'est merveille comment il parle de tout, et abondamment et purement. Dont, son Institution de la Religion Chrestienne en est un temoignage évident. Laquelle une fois l'ayant mise en lumiere, puis après l'enrichit, mais maintenant l'a rendue toute parfaite. Tellement que je ne sache nully qui ait onc plus parfaitement escrit, ny pour demonstrer la vraye Religion, ni pour corriger les meurs, ny pour abatre les abuz. Et quiconques auront atteint jusque au poinctz des choses qu'il enseigne en ce Livre la, que telz croyent hardimant qu'ilz sont parfaitement establiz.

[ocr errors]

Stärkung des kalvinischen Elements äusserten (vgl. S. Lee/The French Renaiss. in England Oxf. 1910, p. 47 ff.). Hugenottische Flüchtlinge beeinflussten entweder direkt, oder vermittelten Druckschriften kalvinischen Geistes. Seitdem England durch die Reformation Eduards VI. ein ausgesprochen protestantisches Land geworden war, strömten ununterbrochen von Frankreich her Religionsflüchtlinge dorthin, und nach Ereignissen wie der Bartholomäusnacht 1572 und dem Sieg der katholischen Liga 1585 steigerte sich dieser Zufluss zu Massenimmigrationen (vgl. Smiles / The Huguenots . in England and Ireland p. 188, Strype/Life of Archbishop Parker 1821 1/270 u. ö.). In England warteten ihrer offene Türen. Und wenn auch die meisten dieser Immigranten Handwerker waren Seidenweber, Buchdrucker, Teppichweber (natürlich allerdings auch Geistliche) -, die also nicht direkt Fühlung mit dem geistigen Leben Englands hatten, sondern nur dem wachsenden Puritanismus neue Nahrung zufügten, so sind doch vorübergehend und auch dauernd französische Gelehrte nach England gekommen, u. a. Henri Estienne, der Gelehrte und Buchdrucker, der für das Studium des Griechischen so tätig war (vgl. Lee p. 37) um die Mitte des 16. Jahrh., Antoine Rod. Chevallier, der Gast Cranmers war und dann Professor des Hebräischen in Cambridge wurde, Pierre du Moulin (gleichfalls in Cambridge), und der jüngere Scaliger, der Freund und Religionsgenosse Isaac Casaubons (Lee p. 304). Dauernder Patron der Flüchtlinge war Philip Sidney, der in engen Beziehungen zu den französischen Protestanten stand Staatsleuten, Gelehrten, Dichtern -, und dessen Name mit diesem französischen Einfluss eng verknüpft ist (Lee pp. 38; 293 u. ö.). 1) Diese englisch-französischen Beziehungen spielen eine beachtenswerte Rolle für den Übergang des protestantischen Humanismus zum Puritanismus, womit sie gleichzeitig enger und gegenseitig werden. A. Golding, der Ovidübersetzer, übertrug Hunderte von Kalvins Predigten ins Englische, und wenn auch die meisten der literarisch bedeutsamen Hugenotten nicht Kalvins extremem linken Flügel angehörten, und Frankreich eher das Refugium für die englischen theologischen (puritanischen) Schriften wurde,) so bildeten dagegen auf politischem Gebiet die

1) Sidney begann auch Philippe de Mornays, Seigneur Du Plessis-Marly (1549—1628) ‘De la vérité de la religion chrétienne' ins Englische zu übersetzen. Die Übersetzung wurde dann nach Sidneys Tod von Arthur Golding geleistet (1587).

*) So liess 1574 Walter Travers seine Ecclesiasticae Disciplinae et Anglicanae Ecclesiae ab illa Aberrationis ... Explicatio in Rochelle anonym

Franzosen die Anreger. Die politischen Pamphlete der Hotman, du Plessis, Gentillet fanden in den Kreisen der englischen Humanisten und frühen Puritaner zustimmende Leser (ohne allerdings vorerst zu praktischen Folgen zu führen), und Jean Bodins De la République 1576 (1906 von Rich. Knolles übers.) war, wie Gabriel Harvey bezeugt, bereits 1579 eins der gelesensten Bücher an der Universität Cambridge. Schliesslich ist noch eines Mannes zu gedenken, des Hugenotten Pierre de la Ramée (Petrus Ramus), der Sidney zu seinen Anhängern zählte, der mit Ascham über Erziehungsfragen korrespondierte, dessen Hochschätzung Harvey laut verkündete und der an der Universität Cambridge Aristoteles entthronte (Lee p. 325 ff.).

So kann man um die Mitte des 16. Jahrh. schon mit einer Minderheit streng puritanischer Denkweise Zuneigender unter den englischen Humanisten rechnen; ein Geist, der sich ebenso ausspricht in dem Entzücken über das Geschenk des Codex Bezae, der an Ansehen nur der hl. Schrift nachstand (Mullinger II/330), wie in der von den Universitätsautoritäten lizensierten Aufführung des Pammachius von Thomas Kirchmeyer (Nao-Georgus), die 1538 stattfand. Die Unruhe und Unsicherheit der Zeiten drängte zu polemischer Äusserung und machte die für wissenschaftliche Arbeit unumgängliche Freiheit, Ruhe und Unbefangenheit des Geistes unmöglich. Seit der offiziellen Reformation waren diese Zustände in steter Steigerung begriffen. Der Versuch der in eine Hand gegebenen weltlichen und kirchlichen Gerichtsbarkeit, eine Konformität zu erzwingen, wurde zu tötender Gleichmacherei. Die Ausführung jener sechs Artikel, die Heinrich VIII. aus eigener Machtvollkommenheit als einzige Glaubensnorm aufgestellt hatte, wurden in gleichem Masse von der akademischen Gerichtsbarkeit überwacht wie die Reuchlinsche Aussprache des Griechischen1), und Ascham und Cheke hatten ihrer Ansicht nur durch gelegentliches künstliches Versprechen Ausdruck geben können. Eine Universität, die wie Cambridge nachdrucken. 1589-90 flüchtete sich der puritanische Drucker Robert Waldegrave dorthin. Die Martin Marprelate - Pamphlets wurden z. T. daselbst gedruckt usw. usw. (vgl. Lee p. 303).

1) Bischof Gardiner (bei Ellis a. a. O.): last year by consens of the whole university I made an ordre concerning the pronounciation of the Greeke tongue appointing paynes to the transgressors The king's gracious majesty hath by inspyracyon of the holy ghost composed all maters of Religion . . I wyll withstande fansyes even in pronounciation and fighte wythe the enemie of quiet at the firste entree.'

einander zwei ihrer Kanzler

[ocr errors]

Fisher und Th. Cromwell auf dem Blutgerüst enden sah, musste das Gefühl der Unsicherheit bis in die Kammer der Gelehrten getragen fühlen (vgl. Huber I/488 f.). Auch machte sich kurz vor Marias Regierungsantritt eine antikalvinische Reaktion bemerkbar, die sich bezeichnenderweise besonders gegen die vom Ausland berufenen Protestanten wie Martyr, Butzer, Fagius, Tremellius, Chevallier usw. richtete, eine Bewegung, die indessen in der alsbald einsetzenden offiziellen katholischen Reaktion absorbiert wurde. Kardinal Pole, der dann zum Kanzler beider Universitäten ernannt wurde ein gemässigter Mann, der der Wissenschaft, sofern sie nur Rom nicht entgegentrat, keine Hindernisse bereitete hatte in anbetracht der Lage sicher recht, wenn er den Humanisten, die öfter, so z. B. Cheke und vielleicht auch Ascham (vgl. Katterfeld S. 103 ff., 302 ff.) ihren Protestantismus widerriefen, nicht recht traute. Unter Elisabeth wurde dann Leicester Kanzler von Oxford (1565-88) und Cecil Lord Burgleigh von Cambridge. Leicesters Neigungen zum strengen Kalvinismus sind erwähnt, sicher ging er oft weiter als Elisabeths Wille war, und unter seiner Kanzlerschaft wurde die puritanische Partei in Oxford herrschend, so sehr, dass auch die nach Leicesters Tod einsetzende antipuritanische Reaktion nicht von weitreichender Bedeutung war. Unter Laud allerdings wurde Oxford hochkirchliches Zentrum, im folgenden Jahrhundert aber ging die Methodistenbewegung (John Wesley 1726-35 in Oxf.) von dieser Universität aus. Cambridge hatte während einer Reihe von Jahren ein doppeltes Patronat, das öffentliche des Hofes und das geheime zweier aufeinander folgender Kanzler (Cecil 1559-94; Essex 1594-1600) zugunsten der Puritaner (Huber II/91). In der Disziplin kam der puritanische Rigorismus ausgiebig zu Worte, 1571 wurde sogar das Schwimmen verboten, 1603 Bärhetzen, Theateraufführungen, Spiel und Sport im Bannkreis von fünf Meilen.1) Im Lehrplan wurde der protestantischen Theologie ein ähnlich bestimmender Raum gegönnt wie einstmals der katholischen.2) Zum Ausdruck kam das auch durch die 1583/84 erfolgte Gründung des Emmanuel College, des ersten ausgesprochen puritanischen Colleges. Der Gründer Sir Walter Mildmay

1) So Huber, indessen hatte das Leben an den Universitäten stets asketischen Charakter gehabt. Die obige Verordnung ist königliches Dekret. Vgl. Mull. II/429 f.

2) Neben der Schrift wurden besonders Kalvins Institutionen und Beza studiert; in einem Zeugnis von 1593 heisst es, ihre Aussprüche hätten in

(1522-89) erregte dadurch eine Verstimmung Elisabeths, um so mehr als er schon einige Jahre zuvor, zusammen mit Bischof Sandys, Sir Thomas Smith und Francis Knollys, sich gegen die „zu scharfe" Behandlung der Puritaner seitens des Primas verwendet hatte (vgl. Mullinger II/310 f.). Blieben so die Universitäten dem Streit der Parteien unterworfen, so hatten sie sich doch zu Organen einer entschiedenen politischen und kirchlichen Gesinnung herausgebildet, einer Gesinnung, die durchaus patriotisch-englisch war und eine dem strengen Kalvinismus zuneigende Richtung der anglikanischen Kirche repräsentierte. Dies suchte der Puritanismus der englischen Revolution fortzuführen, und Epochen auf diesem Wege waren die Erwählung Pembrokes und unter ungeheurer Akklamation O. Cromwells zu Kanzlern. Das muss indessen jenseits der in dieser Studie gestellten Aufgabe liegen.

Der Humanismus an sich barg die Gefahr, eine Kluft zwischen dem Volkstum und der dem Volkstum feindlich gegenüberstehenden Bildung zu schaffen; in der Tat hatte ja die italienische Renaissance die mittelalterlichen Standesunterschiede durch den Gegensatz der Bildung und der Unbildung ersetzt, was dann in der Folge die soziale Struktur Europas umformen sollte. Die hervorgehobenen Besonderheiten des cisalpinen, besonders des englischen Humanismus haben diese Scheidung jedoch vorerst nicht scharf hervortreten lassen. Das tiefste Bestreben der englischen Humanisten ist gleich dem der frühchristlichen Autoren, Schriften und Gedanken antiker Autoren im Rahmen des Christentums zu rezipieren, ja auch ab und zu die Bekanntschaft heidnischer Autoren mit dem Christentum zu folgern, oder zumindest die Übereinstimmung einzelner antiker Autoren mit der Welt- und Lebensauffassung des Christentums unter dessen Primat zu betonen. Dass sie dabei ebenso wie jene christlichen Schriftsteller sich an einzelne Lehren hielten, die Prinzipien, aus denen sie abgeleitet sind, aber nicht erfassen konnten oder wollten, ist natürlich. Diese Haltung des Humanismus mit der Betonung des christlich-ethischen Zweckes und Inhalts bewahrte einerseits davor, dass in einseitigem Streben nach formaler Bildung durch die,Imitation', das Lesen der Klassiker als Stilmuster - der wissenschaftliche Geist im tieferen Sinne verkümmert wurde. Anderseits

St. John's Coll. eine Autorität gehabt, die über der der Kirchenväter und allein der hl. Schrift nachstand. Laut Statut vom Jahr 1579 sollte gelesen werden: Nowells Katechismus griechisch und lateinisch (von Whitaker) oder der von Kalvin usw.

« PreviousContinue »