Einleitung: Der puritanische Standpunkt. Puritaner ist ursprünglich ein Spottname und wurde dann der Name einer religiösen Sekte oder besser der Sammelname für zahlreiche Denominationen kalvinistischer Färbung, die nominell in Erscheinung traten, als Erzbischof Matthew Parker (1504-1574) auf Betreiben der Königin Elisabeth die Verfassung, die Glaubenssätze und den Ritus der anglikanischen Nationalkirche formulierte (1564). Die Ursachen sind klein, beinahe nebensächlich, und gehen zurück auf die Weigerung John Hoopers bei seiner Weihung zum Bischof von Gloucester (1550), die aus der katholischen Kirche übernommenen Gewänder anzulegen. Obwohl Hooper von den Oxfordern Peter Martyr und Bucer (Butzer) überredet wurde, dauerte der,,Kleiderstreit" (vestiarian controversy) fort. Elisabeth, die durch den Act of Supremacy ihren Thron gegen die Katholiken verteidigte, erblickte in solcher die Einheit gefährdenden Haltung der Puritaner gleichfalls eine Bedrohung und ergriff im Kleiderstreit gegen sie Partei (Act of Uniformity). Dies die Einheit erzwingen wollen führte die Spaltung herbei. Schon die Konvokation vom Jahr 1561, auf der die puritanischen Reformpläne (Abschaffung der Feiertage, des Kreuzes bei der Taufe, des Knieens beim Abendmahl, der Priestergewänder, der Orgeln) nur gewaltsam mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt wurden, hatte die grosse Zahl der auf weitergehende Reform-Bedachten gezeigt. Die Idee des semper eadem der englischen Kirche brach mit dem Brief an Parker zusammen. Das von ihm aufgestellte Book of Articles liess die tiefen Gegensätze, die der vestiarian controversy zugrunde lagen, hervortreten und führte die erste Etappe der puritanischen Bewegung herauf. Zwei Oxforder Geistliche, Thomas Sampson, Dean von Christ Church, und Lawrence Humphrey, Rektor von Magdalen College, galten als Führer und wurden zusammen mit etwa 100 Geistlichen vor die Ecclesiastical Commission in London be rufen, wo sie und 35 andere, die sich weigerten, die Kleider zu tragen, auf die Dauer von drei Monaten vom Amte suspendiert wurden (darunter der,,Martyrologist" John Fox, der Bibelübersetzer Myles Coverdale, Walter Travers, Whitehead u. a.). An diese Vorfälle knüpfte sich dann ein Briefwechsel der Nonkonformisten mit den Schweizer Geistlichen Bullinger, Gualter (Walter) und Beza, und in Cambridge, das nächst London zum Zentrum des Puritanismus wurde, kam es zu öffentlichen Demonstrationen und zur Zertrümmerung der als päpstlich empfundenen bunten Kirchenfenster. Die Parallele solcher Gewaltmassnahmen bildete eine akademische Kontroverse in Cambridge, die als zweite Etappe der puritanischen Bewegung gelten kann. Thomas Cartwright (1535-1603), senior fellow von Trinity College, der 1569 zum Margaret Professor of Divinity ernannt wurde, benützte sein neues Amt, um von der Kanzel gegen die Institution der Erzbischöfe, Bischöfe, der archdeacons und deacons und gegen die Ernennung von Geistlichen ohne die Mitwirkung der Gemeinde zu sprechen, als gegen die Einrichtungen, die gerade Besonderheiten der anglikanischen Kirche gegenüber den Reformationskirchen des festländischen Europas darstellten. Er geriet dadurch in Streit mit John Whitgift, seinem Nachfolger und späteren Erzbischof von Canterbury (einem übrigens in vielem ebenfalls puritanischen Ideen zuneigenden Manne), und nachdem der Kanzler der Universität, Cecil Lord Burleigh, an den beide Parteien appellierten, die Erledigung des Streites in die Hände der Universität gelegt, wurde Cartwright zunächst suspendiert und dann (1571) von Whitgift seiner fellowship enthoben. Dies verschaffte den Puritanern einen fähigen Führer und verschärfte die Verbitterung, die schon durch die Auflösung einer kleinen Dissentergemeinde in London (1567) hervorgerufen war. Schrift und Gegenschrift folgten sich unablässig, wobei die puritanischen Neigungen von Erzbischöfen wie Grindal und Abbot, die das Werk eines Parker und Bancroft in Frage stellten, dem puritanischen Schisma Vorschub leisteten. Jetzt standen nicht mehr die äusseren Formen des Gottesdienstes, sondern die Kirchenverfassung und die Frage der Autorität im Mittelpunkt.1) Dahin zielte auch ein puritanischer Vorstoss, der sich den oben genannten zwei Etappen der Bewegung ergänzend anreiht: nämlich 1) Die Cambridger Kontroversen sind die Vorstufen, die Persönlichkeiten Th. Cartwright und W. Travers die Ahnen des 1588 ausbrechenden MarprelateStreites. der Versuch, die Kirche von innen zu reformieren durch die sogenannten 'prophesyings' (zuerst 1571), die die Approbation mehrerer Bischöfe erhielten (z. B. Scambler von Peterborough, Parkhurst von Norwich, Cooper von Lincoln, Grindal u. a.). Es war damit eine Unterweisung der niederen Geistlichen in der Abfassung der Predigt bezweckt, wozu sie sich versammelten und wobei die verschiedenen Arten der Bibelexegese besprochen wurden. Da dabei das Kirchenregiment einer Kritik unterzogen wurde, erregten sie die Gegnerschaft Elisabeths, die, erregt von den gegenteiligen Machenschaften einiger den Puritanern günstig gesinnten Adligen 1) und vollends aufgebracht durch Grindals kühne Weigerung (1576), Verordnungen an alle Bischöfe ergehen liess, die prophesyings in ihrer Diözese zu unterdrücken. um So können wir zur Zeit Elisabeths von einer breiten puritanischen Strömung sprechen, die indessen nicht einheitlich war, sondern dreifach genur die Hauptlinien anzudeuten spalten. Der zunächst äusserste Flügel der Presbyterianer, der sich an Kalvins System in Genf (und Knox in Schottland) anlehnte, stand unter dem Einfluss des bereits erwähnten Theologieprofessors Cartwright, der für das Episkopalsystem das presbyteriale eingesetzt wissen wollte, während eine grosse Klasse, die man als den gemässigten Flügel (die Moderates) zusammenfassen kann, und für die ein Exponent wie der Presbyterianer Baxter charakteristisch erscheint, sich begnügte mit dem Verlangen, eine scharfe Grenzlinie zwischen den Lehren der beiden Kirchen zu ziehen; der dritte und letzte Flügel bestand aus den Anhängern des Predigers Robert Browne (1550-1633) - die sogenannten Independenten, Brownisten oder Kongregationalisten -die das congregational system, wonach jede Charge nur sich selbst, nicht aber einer nächsthöheren Charge gegenüber verantwortlich sein sollte, befürwortete, in Berufung auf die Urkirche, deren einzige Organisation der freiwillige Zusammenschluss zu einer örtlichen Gemeinde war, die ihre Angelegenheiten unabhängig von der Nachbargemeinde regelte. Dieser Flügel wurde unter Karl I. der mächtigste und wurde im Gegensatz zu dem früheren puritanischen Wirken, das mehr ein Ferment innerhalb des Körpers der Kirche darstellte, durch den Gegensatz zu Karl und der den Arminianismus hervorkehrenden Laudschen Hoch 1) Vgl. Brief unterzeichnet: Sir Thomas Smith, Sir Walter Mildmay, Sir Francis Knollys und Sandys (Bischof von London), vgl. John Strype/Parker II/p. 359. kirche zu einer politischen Macht, die in der Revolution den Presbyterianern den beinahe erreichten Sieg ihrer Anschauungen entwand. Während der ganzen Zeit der Entwicklung der puritanischen Bewegung hatten unter dem Druck der Krone Auswanderungen stattgefunden, vor allem natürlich unter Marys Regentschaft die Übersiedlungen nach Frankfurt a. M., Strassburg, Basel und Genf (1553-1560). Dann von 1592 an die Auswanderungen nach Holland und seit 1620 nach Amerika, die zur Gründung des Puritanerstaats in Massachusetts führten. Das Exil wirkte verschärfend, zumal da diese Auswanderungen von der Krone verboten wurden, und half, die Revolution vorzubereiten. Die Entwicklung der zahlreichen Denominationen in der Revolutionszeit zu verfolgen und ihre Unterschiede im einzelnen aufzuzeigen, liegt ausserhalb des Rahmens dieser Studie.1) Das Bestreben, den Puritanismus als eine Geistesrichtung zu erfassen, muss dagegen auf zweierlei hinweisen. Zunächst ist die Geistesrichtung des Puritanismus bereits in der Reformationsbeweguug fühlbar, die etwa 1231 einsetzte und unter dem Wortführer John Wiclif den Zusammenhang mit Rom lockerte und die Macht des Klerus festigte. Wiclif erschien als der Retter, den die bei Langland sich aussprechende religiöse Sehnsucht erwartete, und die späteren Puritaner bezeichnen ihn ausdrücklich als den Morgenstern der Reformation (dazu vgl. S. 78 Anm. 1). Seine Anhänger, auf die man zu Ende des 14. Jahrh. den Terminus,,Lollards" münzte, gingen über den geistigen Gründer der Bewegung hinaus und sahen sich von Kirche und Krone bekämpft (Heinrich von Lancaster 1399; Heinrich VIII. Statut: 'De Heretico Comburendo). Obwohl sie zersprengt wurden, wirkten ihre Ansichten weiter und triumphierten in der Zeit der Tudors. Was Lollarden und Puritaner trennte, sind Sätze nebensächlicher 1) Gleichfalls verbietet sich ein Weiterverfolgen der puritanischen Entwicklung über die Revolution hinaus. Andeutend sei nur gesagt, dass nach der Restauration des Königtums die Moderates mit der Nationalkirche Frieden schlossen, um dann als Evangelicals wieder zu erscheinen und fortdauernd die Kirche von innen im puritanischen Sinne zu beeinflussen. Die anderen Parteien der Puritaner also die, die den act of uniformity von 1662 nicht hatten annehmen wollen zerteilten sich in einzelne Gruppen, die die heutigen 'Nonconformists' ausmachen, oder sie zogen es vor, den Pilgrim Fathers nach Amerika zu folgen, wo sie sich dann wieder in viele Sekten spalteten. Seit der Toleranzakte von 1689 verschwindet der Name Puritaner allmählich. (1691 verschmelzen Presbyterianer und Independenten zur Union Kongregationalisten, wozu 1696 noch die Baptisten kommen). Bedeutung gegenüber der gemeinsamen Abneigung gegen eine Kirchenlehre, die eine menschliche Vermittlung zwischen dem einzelnen Menschen und der Gottheit aufstellte. Ein zweites, worauf hinzuweisen ist, ist die gemeinsame geistige Wurzel der im Gefühl der religiösen Freiheit massenhaft aufschiessenden Sekten, die oft nur in losem Zusammenhang mit den mächtigeren Zweigen der puritanischen Bewegung stehend, ja oft erbittert von ihnen bekämpft, nichtsdestoweniger Geist von ihrem Geiste atmen. Diese Denominationen, die Baxter im Revolutionsheer Cromwells vorfand -die Anabaptisten (denen Bunyan angehörte), die Vanisten, die Seeker, die Ranters, die als auf Jakob Böhmes Lehre gegründete Sekte der Behmenists, die Fifth Monarchy Men etc. etc. — konnten alle erst durch die puritanische Bewegung in Erscheinung treten, in der sich wie in einem Sammelbecken die in der anglikanischen Kirche nicht zum Ausdruck gekommenen Kräfte zusammenfanden. Vor allem sind hier die Quäker zu erwähnen, die Gemeinschaft der Freunde, die auf das Wirken von George Fox (1624-1691) zurückgeht. Auch sie verwarfen ja das „,Äusserliche": Kult und Ritus sind unnötig, Taufe und Abendmahl nicht wesentlich. Die erstrebte Verinnerlichung in der Lehre von dem von Fox mehr mystisch, von Penn rationalistischer gefassten inneren Licht, das jedermann zuteil werden könne, der demnach auch Berufung und Recht zum Predigen fühlen konnte, erwächst dem individualistischen Zug, die Religion zu einer Sache des Einzelnen zu machen.1) Schliesslich ein drittes, womit zugleich nachdrücklichst über den engen Rahmen der Kirchenstreitigkeiten hinweggegriffen wird und der Puritanismus in dem hier angewandten Sinn als geistige Bewegung sich enthüllt: viele puritanisch Gesinnte blieben 1) Fox war seit 1649 als Prophet aufgetreten, Leute wie Robert Barclay (1666) und William Penn (1688) schlossen sich ihm an, und trotz vieler Verfolgungen bestanden die Quäker weiter und erhielten dann in dem Toleration Act von 1689 Duldung. Historisch ist die Entwicklung des Quäkertums so zu begreifen, dass aus dem ursprünglichen Puritanismus der Independentismus erwuchs, aus diesem der Enthusiasmus, und nachdem seit 1653 eine Scheidung der, in dem Independentismus ursprünglich enthaltenen, politischen und religiösen Elemente erfolgte, mit der Verkörperung dieser religiösen Momente das Quäkertum hervortrat. Die Entwicklung ist von den Puritanerstaaten Rhode Island und Pennsylvania ausgehend in Amerika noch bedeutender; John Eliot, John Endicott, Cotton, Mather, Roger Williams, William Penn sind Namen, die mit den Anfängen der Bewegung verbunden sind. |