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Freylich mag der Anblick meiner Mutter viel zu der Schönheit dieser Gegend beytragen. Alles, was sie redt und thut, ist Liebe und Gewissen. Lassen Sie mich immer ein Herz loben, Madam, mit dem Sie so viel Aehnlichkeit haben. Lehtens liest ihr meine Schwester aus einer von meinen Schriften etwas vor. Sie lächelt die ganze Zeit über. „Das hat er ganz hübsch gegeben, ,,fängt sie endlich an. Wer muß ihm doch das alles gesagt ha= ,,ben! Er hat es doch auch selbst gemacht?

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Ich habe ,,freylich wohl eine Freude, wenn ich ihn loben höre Die ,,Leute werdens doch aufrichtig meynen Ich höre, daß er „zuweilen in seinen Schriften von der Liebe redt, und äußerlich „chut er nun gar nicht, als ob er dem Frauenzimmer gut wäre ,,Ie nun, man kann ja einander in allen Ehren gut seyn. „Er ist stets still und eingezogen gewesen." Ja, Madam, ich gefalle mir in diesem mütterlichen Lobe, voll natürlicher Unschuld, mehr, als wenn mich eine ganze Nachwelt gelobt hätte. Wie glücklich bin ich, daß ich von ihr abstamme! Endlich näs hert sie sich mir. Sie hat gewiß unter der Zeit für mich gebetet. Nun sollten Sie noch bey uns seyn, Madam, so wüßte ich mir keinen glücklichern Tag in meinem Leben, als den heutigen. Ich werde Ihnen zu Ehren heute wohl im Grünen ein Glas Wein mehr trinken, und meine Mutter, die sonst nur ein halbes trinkt, will ich zu einem ganzen verführen. Ja, das wollen wir thun, wir wollen Ihre Gesundheit trinken. Ich dächte, ich hätte Ihnen genug geschrieben! Leben Sie wohl.

Dreyßigster Brief.

Madam,

Wie froh bin ich, daß die Brunnencur zu Ende ist; nun darf ich wieder schreiben. Bedenken Sie nur, acht Wochen lang habe

ich keine Feder ansehen dürfen, so barbarisch ist der Medicus mit mir umgegangen. Mein Herr, sprach er, als ich die Cur anfieng, ich kenne Sie, ich weis, daß Sie gern sizen und schreiben; allein, ich sage es Ihnen, Gift wer: den Sie trinken, und keinen Brunnen, wenn Sie sich nicht von allen Verrichtungen los machen.,,Aber, ,,sagte ich, darf ich denn nicht wenigstens drey oder vier Briefe ,,von guten Freundinnen bey meiner Cur beantworten? Das ,,wird mir doch nichts schaden!" Was? Nichts schaden? Drey oder vier Briefe an Frauenzimmer bey der Brunnenkur? Mein Herr, Sie mögen wohl ein gu= ter Poet seyn: aber nehmen Sie mirs nicht übel, von der Medicin verstehen Sie nicht den Kukuk. Wollen Sie denn die Diät besser wissen, als ein alter Prakticus? Ich sage es Ihnen kurz, Sie dürfen nicht eine Feder in die Hand nehmen, bis die funfzehnte Flasche rein ausgetrunken ist. Der Pirmonter Brunnen ist ein Brunnen, bey dem man an nichts, am allerwenigsten an ein Frauenzimmer, denken darf.

Alle meine Bitten halfen nichts. Er prophezeihte mir so viele Krankheiten, daß ich ihm in der Angst zuschwur, keine Feder anzusehen. Der böse Mann hat mich so lange vom Briefschreiben abgehalten! Das soll die lezte Brunnencur seyn. Verlassen Sie sich darauf, und erlauben Sie mir, daß ich mich nicht weiter entschuldigen darf. In dem Briefe an Ihre Frau Schwester habe ich zwar eine böse Hand, als die Ursache meines Stillschweigens, vorgewendet; doch dort habe ich, als ein Poet, geredet. Gönnen Sie mir nur die Ehre Ihrer Freundschaft ferner, und glauben Sie nicht, daß ich ein nachlässiger Freund bin, weil ich ein nachlässiger Correspondent bin. Was macht Ihr Herr Liebster? Befindet sich Ihre Jungfer Tochter noch wohl? Denken

beide manchmal an mich? Ich denke sehr oft an Sie, und allezeit empfehle ich mich Ihrer Freundschaft.

Ein und dreyßigster Brief.

Madam,

Meine Hand ist nunmehr so gesund, als ich mir nur wünschen kann. Ich habe mir auch diese Messe Federn und Papier, alles, was zum Briefschreiben nöthig ist, gekauft, und ich sehe nicht, was mich abhalten sollte, binnen hier und Weihnachten etliche hundert Briefe an Sie zu schreiben, wenn Sie mir nicht ausdrücklich befehlen, weniger freygebig damit zu seyn. Was werde ich Ihnen in den vielen Briefen nicht alles sagen! Und vielleicht doch noch nicht so viel, als ich wünsche. Und was werde ich in Ihren Antworten für liebe Sachen lesen! Und vielleicht nur gar zu viel, die ich nicht verdiene. Ja, Madam, wenn Sie diese Messe zu uns gekommen wären, wenn Sie Doris, wenn Sie Aemilien mitgebracht hätten: so wollte ich gleich einen Brief in Versen an Sie schreiben. Allein wovon?

Ja wohl! wovon wollt ich denn singen?
Doch, Sylvia, was frag ich erst?
Ist unter tausend schönen Dingen,
Wovon die Dichter gerne singen,
Wohl eines, das Du lieber hörst,
Wohl eines, das Du mehr verehrst,

Wohl eins, von dem ich lieber schreibe,

Da Du mich seinen Werth selbst durch Dein Beyspiel lehrst, Als der Geschmack, und als die Liebe?

Aber, weil Sie nicht gekommen sind: so will ich das Gedichte versparen, bis Sie kommen, und Sie in Prosa bitten, Ihrem

Herrn Liebsten etliche finstre Gesichter zu machen, wenn Sie anders dazu fähig sind, daß er mich nicht besucht hat. Ich habe ihn recht aufrichtig zu mir gebeten, und die Stunde, da man Caffee trinkt, bin ich gewiß zu Hause, und am ersten für einen guten Freund gemacht. L.. der böse Mensch, ist gewiß Schuld daran. Wenn er nur stürbe, daß ich und Sie, und vielleicht auch Aemilie, der Marter los würden, ihn alle Tage fehlen zu sehen. Wie sind Sie, und Doris, und Xemitie mit der Schwe= dischen Gräfinn zufrieden? Wäre es besser, wenn sie nach dem ersten Theile gestorben wäre? Aemilie wird vermuthlich gewaltig viel an der Frau Gouverneurinn, und noch mehr an dem armen zärtlichen Eosakenmädchen auszusehen haben. Doch, was kann ich dafür, daß die Frauenzimmer in Siberien empfindlicher find, als sieben Meilen von Leipzig? Leben Sie wohl.

Zwey und dreyßigster Brief.
Hochzuehrender Herr und Freund,

Ich bin Ihnen sehr lange eine Antwort schuldig. Was den= ken Sie von mir? Ich könnte mich weitläuftig entschuldigen, und unter vielen Hindernissen eine weite Reise nach Niedersachsen anführen; aber ich will es lieber Ihrer Freundschaft überlassen, mir meine Langweiligkeit auf Treu und Glauben zu vergeben. Sie haben in Ihrem lehten Briefe einen Trost von mir verlangt, und ich will wünschen, daß Sie ihn ist nicht mehr bedürfen, und daß die Zeit das bey Ihnen ausgerichtet haben mag, was im Anfange die stärksten Gründe nicht von uns erhalten können. Wenn Sie auch noch zuweilen klagen müssen: so bin ich doch zu sehr Ihr Freund, als daß ich Sie in Ihren gerechten und süßen Klagen stören wollte. Nein, verehren Sie immer ein Herz durch Betrübniß und Sehnsucht, das Ihrer Liebe

so sehr werth war, und verdienen Sie sich dadurch eins, das dem verlornen gleicht. Ich wünsche und gönne es Ihnen vor vielen andern, und bin mit aller Hochachtung :c.

Drey und dreyßighter Brief.

Hochwohlgebohrner Herr,

Schreiben Sie mir nicht mehr so schöne Briefe, wie der lezte war, ich stehe sonst nicht dafür, daß ich nicht ein wenig eifersüchtig auf Sie werden sollte, so sehr ich Sie auch liebe. Das hilft nichts, daß Sie mir sagen, Sie müßten ist wieder eine ganz neue Schreibart annehmen. Sie schläfern mich mit dieser kleinen List gar nicht ein. Ich sehe es doch wohl, daß Sie über der Sprache der Kanzley die Sprache der Welt nicht vergessen, und in Ihren Briefen eben so schön deutsch schreiben werden, als ob Sie niemals mit Acten etwas zu thun gehabt hätten. Im Ernste, Sie haben mir durch Ihren Brief eine ausnehmende Freude gemacht, für die ich Ihnen um destomehr Dank weis, weil ich mir dadurch bald eine neue zu verdienen hoffe. Ich soll Ihnen eine Beschreibung von der Universität ... machen; allein ich weis Ihnen nicht viel zu sagen, als daß es an diesem Orte wohlfeil ist, daß die Professoren fleißig lesen, und die Studenten ziemlich frey, wo nicht gar wild, leben. Ihre ganze Moral scheint diese zu seyn: Wer fleißig und richtig in die Collegia geht; wer seine vier bis fünf Stunden des Tages hört, der kann nachdem machen, was er will. Er mag trinken, er mag spielen, er mag sich herumschlagen, er mag sich andern Ausschweifungen überlassen, das hat nichts zu sagen, er bleibt allemal ein wackerer Student; und die Seele des Studirens ist die Freyheit. Kurz, ihre Sitten sind etwas cynisch. Dem ungeachtet glaube ich ganz gern, daß man ein gelehrter und gesitteter Mann auf dieser

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