Page images
PDF
EPUB

Den Beschluss macht die Besprechung der Kunstwerke, in welchen uns die Talossage begegnet, und nachdem die kretischen Münzen und die berühmte apulische Amphora, deren Veröffentlichung eines der Verdienste des leider zu früh verstorbenen Avellino ist, allein als sichre Denkmale anerkannt und eingehend behandelt sind, wird diesen eine Reihe andrer irrthümlich oder nur vermuthungsweise hieher gezogner Bildwerke gegenübergestellt.

Die Fragen also, deren Beantwortung hier angestrebt wird, sind dreifacher Art, indem sie theils die Sagenerklärung, theils Cultusgebräuche, theils endlich die Erklärung von Kunstwerken betreffen, und es bedarf wohl kaum der besondern Versicherung, dass wir hier, was zunächst die Methode der Forschung in Betreff der Cultusgebräuche betrifft, derselben Umsicht in Handhabung des gesammelten Materials begegnen, die wir bei Hrn. Mercklins Behandlung ähnlicher Fragen schon anderwärts gefunden haben, und auf diese Weise unsre Kenntniss des Alterthums mehrfach gefördert sehen, wobei ich die sorgfältige Untersuchung des sardonischen Lachens als besonders dankenswerth hervorheben zu dürfen glaube. Dasselbe muss aber auch von der bei der Erklärung der Kunstwerke angewendeten Methode anerkannt werden und ich bin der Ueberzeugung, dass Hr. Mercklin durch die hier befolgte Strenge manchen Irrthum beseitigt und den wahren Sinn von mehr als einer Einzelheit zuerst nachgewiesen hat. Was endlich die Erklärung der einzelnen Züge der Sage und die hiebei zur Anwendung gebrachte Methode betrifft, so beanspruchen bekanntlich hiebei noch jetzt die verschiedensten Methoden, die sich von voller kritischer Strenge bald zu geringerer, bald zu grösserer, ja selbst zu alles Maass überschreitender Freiheit abstufen, ihre alleinige Gültigkeit und so kommt es, dass auch der Standpunkt, welchen Hr. Mercklin einnimmt, eine grössere Freiheit der Combination und Beweisführung für sich in Anspruch nimmt, als ich der Sagenerklärung einräumen zu dürfen glaube, und dass mir demnach gegen so manche seiner einzelnen Annahinen und Resultate Bedenken geblieben sind, wenn ich auch die Gültigkeit seines Hauptresultats, der Identität des attischen

Talos mit dem aus dem Baal-Moloch-Culte hervorgegangenen kretischen Talos, nicht bezweifle. Hiemit steht es jedoch nicht im Widerspruch, wenn ich die Beantwortung selbst solcher Fragen, die mir durch Hrn. Mercklins Untersuchung nicht gelöst zu sein scheinen, doch als näher gerückt betrachte und so glaube ich in der Ueberzeugung, dass die geehrte historisch-philologische Classe durch Veröffentlichung dieser Arbeit Etwas zur einstigen, vollständigern Lösung der wichtigen Frage nach dem Verhältniss des hellenischen Glaubens zu dem des Orients, beitragen werde, nicht anstehen zu dürfen, dieselbe zur Aufnahme in die Mémoires des savants étrangers anzuempfehlen.

(Aus dem Bullet. hist. - phil. T. VIII. No. 10.)

UEBER GRIECHISCHE VERBAL-FORMEN, DIE NUR AUS DEM SANSKRIT ZU ERKLÄREN.

VON FR. GRAEFE*). Extrait. (Lu le 4 août 1843.)

In den beiden classischen Sprachen, besonders aber in den ältern Dialecten der Griechischen, treten nicht selten Formen auf, die an sich betrachtet, willkührlich und unerklärlich erscheinen mussten, und auf kein anerkanntes Gesetz zurück zu führen waren, so lange man nicht in dem Sanskrit das Mittelglied gefunden hatte, das allein die Analogie zu vermitteln im Stande ist.

Die in den Boeotischen Inschriften bei Boeckh, Corp. Inscriptt. zahlreich vorkommenden Futura auf ow, die ich in meinem Sanskrit - Verbum postulirt hatte, sind ganz das Sanskrit - Futurum auf sjami, sobald man nur die Griechische o Conjugation auf die alte aut-Conjugation zurückzuführen sich erinnert. Dieselbe uralte Conjugations-Form auf au ist es nun, die sich mir neuerdings wieder in eigenthümlicher

*) Nach meinen individuellen Ansichten wenig befriedigt durch Bopps Vergleichende Grammatik, wie sie auch gepriesen werden mag, habe ich mir seit Jahren eine ähnliche Aufgabe gestellt, und Einzelnes in einzelnen Ausführungen vorläufig bearbeitet, ohne mich mit dem Druck zu übereilen. Da ich aber nicht weiss, wie lange mir noch Leben und Geistesmuth vergönnt sein werden, meiner Aufgabe näher zu kommen, muss ich doch endlich daran denken, wenigstens in derlei kurzen Auszügen, Aelteres und Neueres, zur öffentlichen Kenntniss zu bringen, was mir beachtenswerth scheint, wie ich diess von dem unten folgenden Thema: Die Zufälligkeit der verbalen Flexions-Reihen am ersten glaube voraussetzen zu dürfen.

Gestalt bei einem consonantischen Verbal-Stamm des Griechischen unerwartet aufgedrungen hat.

"

In dem Rheinischen Museum für Philologie, Neue Folge, 2ter Jahrg., 4tes Heft, S. 552-560. befinden sich sechs ActenStücke über den Freikauf von Sclaven, Inschriften von Tithorea. In der 4ten dieser Steinschriften steht die Griechisch nicht wohl zu erklärende seltsame Form; xaradovitάtw nach Ulrichs statt καταδουλούτω oder καταδουλιξάσθω gebraucht Freilich kennt, die gewöhnlichere Sprache der Griechen nur καταδουλόω und καταδουλίζω, aber aus diesen Themen ist jenes zaradovicάto auf keine Weise zu erklären. Selbst ano male Formen der Verba auf ow, wie δικαιεῦν, στεφανοῦνται u. dgl. (vgl. Sturz, Diall. S. 281.), die wohl eine statt des o, aber weiter Nichts zur Erklärung beitragen, bieten keine volle Analogie dar. Offenbar setzt jener Imperativ ein Präsens xαταδουλέαμι = καταδούλημα voraus, und wie για und γαία eins sind, so ist καταδουλέαμι ursprünglich καταδουλαίαμι, d. h nach Sanskrit-Aussprache nazadovλajami gewesen. Wir haben mithin eine Causal-Form des Sanskrit in, altgriechischer Fassung vor uns, und sehen zugleich, wie auch bei vocali schen Verbal-Stämmen so manches nur auf equ, m auf εav zurückgeführt werden muss und sich dann die 3te Person Präs. Pluralis in suot mit dem so lange unerklärlichen langen a. Buttm. I. S. 505, trotz genetischer Verschiedenheit, von selbst ergiebt. Auf gleiche Weise entstehen aus den SanskritFormen auf ajami, Prakrit-Verba auf emi.

[ocr errors]

Wenn nun aber im vorliegenden Falle das gemeine dovλów einem δοῦλος; δουλίζω, einem δοῦλις masc., wovon δούλιος, entspricht, so setzt doviáw oder richtiger dovλaut, woraus douAiau oder Soviaiau entstand, wie, nach Westergaard p. 251. von den gleichklingenden Wurzeln dul und tul, dolajami und tolajami, ein adjectives dovias, mit einem, alten masculinen kurzen as, entsprechend dem Femin. Savia und dem Diminutiv doviάolov, voraus, und wir erkennen in diesem überall auftauchenden alten a die offenbare Identität des Urgriechischen mit dem Sanskrit.

Eine nur wenig verschiedene Erklärung, im Vergleich mit diesem zaradovλeάtw, werden die Jonischen Formen, wie Mélanges gréco-romains. I.

12

Bovisato neben εßovλovтo (Kühn. §. 123. 16.), erfordern, wo das kurze ǎ zunächst nur aus dem nasalen v entstanden sein kann, und Boulevτo zum Grunde liegt, wie εvrt einem sunt entspricht, wiewohl wir auch hier auf das Gebiet der

-Conjugation verwiesen werden, und ein ẞovinu und ßovλεμαι doch wiederum nur als βουλαγαμι, βουλαγαμαι ursprünglich zu fassen ist, und einzig die Causal - Bedeutung fehlt.

Wenn wir nun weiter ein Griech. Verbum auf ou entste hen sehen, wo im Sanskrit und einem andern verwandten Dialect eine Wurzel auf a statt findet, wie didou, neben dadami und dare, so muss man wohl an eine dem Griechischen eigenthümliche Diphthongirung des a mit v denken, wie das Sanskrit anderwärts in einer seiner Conjugations-Formen ein u nach Consonanten einschiebt, wenn das a sich hier nicht etwa, wie freilich bisweilen an andern Stellen, nur durch die dunkle Aussprache in @ verwandelt haben soll.

Von dergleichen einzelnen Form ausgehend, kommen wir nothwendig immer mehr und mehr zu einem allgemeinen Princip.

Es gilt daher, im Allgemeinen das Griechische Verbum in ut mit dem Sanskrit-Verbo, das nur in mi, ausführlicher zu vergleichen. Da nun aber die Griechische Grammatik annimmt, das Verbum in u setze stets ein verbum purum voraus; im Sanskrit aber verba pura gar nicht gedacht werden können: so könnte hierin ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Sprachen zu liegen scheinen, und wir müssten nothgedrungen dem Sanskrit dén Rang des Aelterthums zuerkennen. Die Wahrheit ist aber vielmehr die: Jenes Gesetz der Griech. Grammatik muss umgekehrt werden, und es kann kein Verbum purum auf aw, εo, i und vw gedacht werden, wo nicht ein Verbum auf αμι und εαμι, ιαμι und ναμι in der Na tur der Sprache als Bedingung anzunehmen wäre.

Man muss also zurückgehen auf die Urvokale des Sanskrit, und nachweisen, wie dieselben, und keine andern, auch im Griechischen diesen Verbal-Formen zum Grunde lagen, und wie nur nach Sanskrit -Gesetzen auch im Griechischen verba pura entstehen könnten.

« PreviousContinue »