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DIE TALOSSAGE UND DAS SARDONISCHE LACHEN. EIN BEITRAG ZUR GESCHICHTE GRIECHISCHER SAGE UND KUNST; VON LUDWIG MERCKLIN. RAPPORT FAIT A L'ACADÉMIE PAR M. STEPHANI, DÉSIGNÉ ACADÉMICIEN ORDINAIRE. (Lu le 25 octobre 1850.)

Das Verhältniss des religiösen Glaubens der Hellenen zu dem der östlichen Völker, bei denen wir eine weit früher in den mannichfaltigsten Verhältnissen ausgebildete Cultur antreffen, als bei jenen, hat immer zu den Objecten der Alterthumswissenschaft gehört, welche sich einer besondern Theilnahme erfreuten, und wird diese Stellung um so mehr auch in der Zukunft behaupten, als gerade jetzt die Hoffnung, zu sicherern und genaueren Resultaten zu gelangen, durch die Entdeckung mannichfachen, früher unbekannten Materials neu belebt worden ist. Die Forschung, welche von der Voraus+ setzung ausging, dass die gesammten Grundlagen des hellenischen Glaubens dem Orient entlehnt seien, und nur darnach strebte, den wesentlichen Gehalt aller, selbst noch der jüngsten, Bildungen hellenischer Sage als asiatisch oder ägyptisch nachzuweisen, musste sich bald eingehender und unbefange ner Betrachtung als nicht zu dem Ziele aller Wissenschaft, der Wahrheit, führend darstellen, und so bot sich uns auch hier das Schauspiel dar, welches in dem Entwicklungsgange der Wissenschaft überhaupt zu liegen scheint: das eine Extrem verwandelte sich in das andere. Man suchte nun, wo möglich, jeden fremden Einfluss auf den Inhalt, wie auf die Form hel

lenischen Glaubens hinwegzuleugnen und beanspruchte, wo möglich, Alles als Schöpfung dieser an geistiger Kraft jedem andern Volke des Alterthums so weit überlegenen Stämme. Dass dieser zweite Standpunkt kaum mehr berechtigt sei, als der erste; dass es ganz eigentlich die Aufgabe der Gegenwart sei, mit vollständigster Unparteilichkeit und sorgsamster Vorsicht die Elemente, welche der hellenische Geist als sein ganzes Eigenthum in Anspruch nehmen darf, von denen zu sondern, welche er von jenen früher, als er, entwickelten Völkern des Orients entlehnte: das kann wohl jetzt als im Allgemeinen zugestanden bezeichnet werden, da einzelne Stimmen, welche sich noch für das eine oder das andere jener beiden Extreme erheben, kaum auf Erfolg werden zu hoffen haben. Es ist daher auch schon von der kretischen Talossage nicht nur das fast einstimmig, wenn auch von dem Einen mit mehr, von dem Andern mit weniger Entschiedenheit, zugestanden, dass sie nur eine die hellenische Form für den von den Phönikern in ältester Zeit nach Kreta verpflanzten Baal-Moloch sei, sondern es sind auch ihre wesentlichsten Züge in diesem Sinne zu deuten schon versucht worden. Es kam also jetzt darauf an, eines Theils die einzelnen Züge dieser Sage einer abermaligen, genauern Prüfung, namentlich mit Anwendung des neu hinzugekommnen bildlichen Materials zu unterwerfen, andern Theils, und zwar vorzüglich, die Spuren dieser Sage auch weiter, ausserhalb Kretas zu verfolgen, und vor Allem die gewöhnlich geleugnete Abhängigkeit und Abstammung der attischen Sage von der kretischen genauer zu untersuchen.

Herr Dr. Mercklin, dessen gründliche litterar-historische und sacral-rechtliche Untersuchungen der Aufmerksamkeit der geehrten historisch-philologischen Classe nicht entgangen sein werden, hat sich in der Abhandlung, welche ich derselben zu überreichen die Ehre habe, diese Aufgabe gestellt und sucht sie in der Weise zu lösen, dass er zunächst, sich an die Forschungen von Movers anlehnend, einen Ueberblick der wichtigsten Elemente des phönikischen Glaubens giebt, soweit sie bei der Talossage in Betracht kommen. Indem er sich dann zu dieser selbst wendet, betrachtet er zuerst die kretische Sage, da diese Insel unstreitig als die Wiege

der ganzen Sage anzusehen ist. Indem er zu erweisen sucht, dass dieser Talos nur eine der Formen ist, in welche hellenische Vorstellungsweise den von den Phönikern nach Kreta gebrachten Baal-Moloch fasste und weiter bildete, werden eines Theils im Einzelnen die seiner Genealogie, seinem ehernen Wesen, Wächter - Amte, Umkreisen der Insel und seiner Todesart zu Grunde liegenden weiteren Vorstellungen aufgesucht, andern Theils Reminiscenzen an ihm ehemals gebrachte Menschenopfer und sein ursprünglich siderisches Wesen, vorzüglich im Namen selbst, nachzuweisen versucht.

Von Kreta wendet sich der Vf. nach Chios und, nachdem er den dortigen Talos besprochen, nach Rhodos und nach dem Peloponnesischen Taygetos, wo er ihn, in den Helios übergegangen, wiederzufinden glaubt.

Hierauf widmet der Vf. der attischen Sage, als dem wichtigsten und bisher am meisten vernachlässigten Theile seiner Untersuchung, eine ausführliche Besprechung, indem er zunächst, namentlich durch Erörterung der Genealogie, des Grabes und der Formen des Namens, die Identität des attischen und des kretischen Talos zu erweisen sucht. Daran schliesst sich die Untersuchung des Todes, wie ihn die attische Sage berichtet, und indem der Vf. zu erweisen sucht, dass dieser Sagen-Zug nur das mythische Nachbild der im Talos-Cult gebräuchlichen Menschenopfer sei, wird er zu der Betrachtung der attischen Thargelien als eines dem Talos, Helios und Apollon gleichmässig gewidmeten Festes, der diesem Feste angehörenden Pharmakoi aber als eines dem Talos geweiheten Opfers geleitet, wobei über die dem Apollon und dem He lios dargebrachten Sühnopfer und über die Pharmakoi überhaupt eingehender gehandelt wird. Die andre Seite des TalosTodes aber führt Hrn. Mercklin zur Betrachtung der mit der Talossage eng verbundenen Perdixsage, bei welcher Gelegenheit Umfassenderes über die Bedeutung der rothen Farbe für den alten Cultus und über das Perdicium beigebracht wird. Nachdem ferner die Sage von dem seine Mutter liebenden Jäger Perdica und von den Erfindungen des Talos behandelt ist, folgt endlich eine Untersuchung des auch mit dem Talos in Verbindung gesetzten sardonischen Lachens.

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