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Doch Priam fand das Feuer, ch' er die Zunge, -
Ich meines Perch Tod, eh' Du ihn meldest.

Besonders aber ist Richard der Zweite, als er den Jugendleichtsinn seiner glücklichen Tage büßen muß, solch ein Gemüth, das, wie sehr es sich auch in seinen Schmerz einspinnt, dennoch die Kraft behält, ihn sich stets in neuen Vergleichungen vor sich hinzustellen. Und dieß gerade ist das Rührende und Kindliche in Richard's Trauer, daß er sie sich stets in treffenden Bildern objectiv ausspricht, und den Schmerz in dem Spiel dieser Entäußerung um so tiefer beibehält. Als Heinrich z. B. die Krone von ihm fordert, erwiedert er: „Hier Vetter, nimm die Krone. Hier an dieser Seite sey meine Hand, an jener Deine. Nun ist die goldne Krone gleich einem tiefen Brunnen, aus dem zwei Eimer wechselsweise das Wasser schöpfen; der Eine immer tanzend in der Luft, der Andere tief unten, ungesehen und voll Waffers; dieser Eimer unten, voll von Thränen, bin ich, trunken von meinem Gram, indeß Du oben in der Höhe schwebft."

ßß) Die andere Seite hierzu besteht darin, daß sich ein Charakter, der bereits eins mit seinen Interessen, seinem Schmerz und Schicksal ist, durch Vergleiche von dieser unmittelbaren Einheit zu befreien sucht, und die Befreiung wirklich dadurch offenbar macht, daß er sich noch zu Gleichnissen fähig zeigt. In Heinrich dem Achten z. B. ruft die Königin Katharine, von ihrem Gemahl verlassen, in tiefster Betrübniß aus: „Ich bin die unglückseligste Frau von der Welt, gescheitert an einem Königreiche, wo nicht Mitleid, noch Freund, noch Hoffnung für mich ist! Wo kein Verwandter um mich weint! Beinahe kein Grab mir vergönnt wird! Gleich der Lilie, die vordem Königin des Feldes war und blühte, will ich mein Haupt hinsenken und sterben.

Vortrefflicher noch sagt Brutus im Julius Cäsar, in seinem Zorn zum Cassius, den er sich vergebens anzuspornen gestrebt hat: Caffius! einem Lamm seyb Ihr gepaart,

Das so nur Zorn hegt, wie der Kiesel Feuer,

Der vielgeschlagen flücht'ge Funken zeigt,

Und gleich d'rauf wieder kalt ist.

Daß Brutus an dieser Stelle den Uebergang zu einem Gleichniß finden kann, erweist schon, er selber habe den Zorn in sich zurückzudrängen und sich davon frei zu machen angefangen.

Hauptsächlich seine verbrecherischen Charaktere hebt Shakspeare durch Größe des Geistes im Verbrechen wie im Unglück zugleich wieder über ihre schlechte Leidenschaft hinaus, und läßt sie nicht wie die Franzosen in der Abstraction, daß sie sich selbst nur immer vorsagen, sie wollten Verbrecher seyn, sondern er giebt ihnen diese Kraft der Phantaste, durch welche sie sich ebenso sehr als eine andere fremde Gestalt zur Anschauung kommen. Macbeth z. B., als seine Stunde geschlagen hat, sagt die berühmten Worte: „Aus, aus, kurzes Licht! Leben ist nur ein wandelnder Schatten, ein armer Schauspieler, der auf der Bühne seine Stunde troßt und pocht, und dann gehört nicht mehr wird; es ist ein Mährchen, erzählt von einem Tropf, voll von Schall und Lärmen, bedeutend gar nichts." Ebenso ist es in Heinrich dem Achten mit dem Cardinal Wolsey, der von seiner Höhe herabgestürzt, am Ende seiner Laufbahn ausruft: „Lebewohl sag' ich Dir, ein langes Lebewohl, alle meine Hoheit! Das ist das Schicksal des Menschen; heute sproffen die zarten Blüthen der Hoffnung; morgen blüht er und ist ganz mit dem röthlichen Schmucke bedeckt; den dritten Tag kommt ein Frost, und wenn er, der gute sichere Mann, jezt gewiß denkt, sein Glück wächst zur Reife, verwundet der Frost die Wurzel, und dann fällt er, wie ich."

vy) In diesem Objectiviren und vergleichenden Aussprechen liegt dann zugleich die Ruhe und Fassung des Charakters in fich selbst, durch welche er sich in seinem Schmerz und Üntergang beschwichtigt. So sagt die Kleopatra, als sie die tödliche Natter schon an die Brust gesezt hat, zur Charmion: „Still, still! Siehst Du nicht meinen Säugling an meiner Bruft, der seine Amme im Schlaf saugt? So füß wie Balsam, so sanft wie Luft, so freund

lich" der Biß der Schlange löft die Glieder so sanft, daß der Tod sich selbst täuscht und sich für Schlaf hält. Dieß Bild kann selber als ein Bild für die milde beruhigende Natur dieser Vergleichungen gelten.

C. Das Verschwinden der sýmbolischen

Itunstform.

Lehrgedicht, beschreibende Poesie und altes Epigramm. Wir haben die symbolische Kunstform überhaupt so aufgefaßt, daß in ihr Bedeutung und Ausdruck bis zu einem vollendeten wechselseitigen Ineinanderbilden nicht hindurchdringen konnten. In der unbewußten Symbolik blieb die dadurch vorhandene Unangemessenheit von Inhalt und Form an sich, in der Erhabenheit dagegen trat sie als Unangemessenheit offen hervor, indem fowohl die absolute Bedeutung, Gott, als auch deren äußere Realität, die Welt, ausdrücklich in diesem negativen Verhältniß dargestellt wurde. Umgekehrt aber war in allen diesen Formen die andere Seite des Symbolischen, die Verwandtschaft nämlich der Bedeutung und der äußeren Gestalt, in welcher sie zur Erscheinung gebracht wird, ebensosehr herrschend; ausschließlich in dem ursprünglich Symbolischen, das die Bedeutung noch nicht ihrem concreten Daseyn gegenüberstellt; als wesentliches Verhältniß in der Erhabenheit, welche, um Gott auch nur auf inadäquate Weise auszusprechen, der Naturerscheinungen, Begebnisse und Thaten des Volkes Gottes bedurfte; als subjective und das durch willkührliche Beziehung in der vergleichenden Kunstform. Diese Willkühr aber, obschon sie besonders in der Metapher, dem Bilde und Gleichniß vollständig da ist, versteckt sich gleichsam auch hier noch hinter der Verwandtschaft der Bedeutung und des für dieselbe gebrauchten Bildes, insofern sie gerade aus dem Grunde der Aehnlichkeit Beider die Vergleichung unternimmt, deren Hauptseite nicht die Aeußerlichkeit, sondern gerade die durch subjective Thätigkeit hervorgebrachte Beziehung der inneren Empfindungen, Anschauungen, Vorstellungen und deren verwandten

Gestaltungen ausmacht. Wenn jedoch nicht der Begriff der Sache selbst, sondern nur die Willkühr es ist, die den Inhalt und die Kunstgestalt zueinanderbringt, so find Beide auch als einander vollständig äußerlich zu sehen, so daß ihr Zusammenkommen ein beziehungsloses Aneinanderfügen und bloßes Aufschmücken der einen Seite durch die andere wird. Dadurch haben wir hier als Anhang diejenigen untergeordneten Kunstformen abzuhandeln, welche aus solchem vollständigen Zerfallen der zur wahren Kunst gehörigen Momente hervorgehen, und in dieser Verhältnißlosigkeit das Sichselbstzerstören des Symbolischen darthun.

Dem allgemeinen Standpunkte dieser Stufe zufolge steht auf der einen Seite die für sich fertig ausgebildete, aber gestaltlose Bedeutung, für welche als Kunstform daher nur ein bloß äußerlicher willkührlicher Zierrath übrig bleibt; auf der anderen die Aeußerlichkeit als solche, welche statt zur Identität mit ihrer wefentlichen innern Bedeutung vermittelt zu seyn, nur in der Verselbstständigung gegen dieß Innere und dadurch in der bloßen Aeußerlichkeit ihres Erscheinens aufgenommen und beschrieben werden kann. Dieß giebt den abstracten Unterschied der didactischen und beschreibenden Poesie, ein Unterschied, den, in Rücksicht auf das Didactische wenigstens, nur die Dichtkunst festzuhalten vermag, weil sie allein die Bedeutungen ihrer abstracten Allgemeinheit nach vorzustellen im Stande ist.

Indem nun aber der Begriff der Kunst nicht in dem Auseinanderfallen, sondern in der Identification von Bedeutung und Gestalt liegt, so macht sich auch auf dieser Stufe nicht nur das vollständige Auseinandertreten, sondern ebenmäßig auch ein Beziehen der verschiedenen Seiten geltend. Dieß Beziehen jedoch kann, nach Ueberschreitung des Symbolischen, nicht mehr selber symbolischer Art seyn, und unternimmt deshalb den Versuch, den eigentlichen Charakter des Symboilschen, die Unangemessenheit und Verselbstständigung nämlich von Form und Inhalt, welchen alle bisherigen Formen zu überwinden unfähig waren, aufzuheben. Bei der vorausgefeßten Trennung aber der zu vereinenden

Seiten muß dieser Versuch hier ein bloßes Sollen bleiben, dessen Forderungen Genüge zu leisten einer vollendeteren Kunstform, der classischen, aufbehalten ist. Auf diese lezten Formen wollen wir, um einen näheren Uebergang zu gewinnen, jezt noch kurz einen Blick werfen.

1. Das Lehrgedicht.

Wird eine Bedeutung, wenn sie auch in sich selbst ein concretes zusammenhängendes Ganzes bildet, für sich als Bedeutung aufgefaßt, und nicht als solche gestaltet, sondern nur von Außen her mit künstlerischem Schmuck versehen, so entsteht das Lehrgedicht. Den eigentlichen Formen der Kunst ist didactische Poeste nicht zuzuzählen. Denn in ihr steht der für sich als Bedeutung bereits fertig ausgebildete Inhalt in seiner dadurch prosaischen Form auf der einen Seite, auf der anderen die künstlerische Gestalt, welche ihm jedoch nur ganz äußerlich kann angeheftet werden, weil er eben schon vorher in prosaischer Weise für das Bewußtseyn vollständig ausgeprägt ist, und dieser prosaischen Seite, d. h. seiner allgemeinen abstracten Bedeutsamkeit nach, und nur in Rücksicht auf dieselbe, mit dem Zweck der Belehrung, für die verständige Einsicht und Reflerion soll ausgedrückt werden. Die Kunst in diesem äußerlichen Verhältniß kann deshalb im Lehrgedicht auch nur die Außenseiten, das Metrum z. B., gehobene Sprache, eingeflochtene Episoden, Bilder, Gleichnisse, beigefügte Expectorationen der Empfindung, rascheres Fortschreiten, schnellere, Uebergänge u. f. f. betreffen, welche den Inhalt als solchen nicht durchdringen, sondern nur als ein Beiwerk danebenstehn, um durch ihre relative Lebendigkeit den Ernst und die Trockenheit zu erheitern und das Leben anmuthiger zu machen. Das an sich selbst prosaisch Gewordene soll nicht poetisch umgestaltet, sondern nur überkleidet werden; wie die Gartenkunst z. B. größtentheils ein bloßes äußeres Arrangiren einer für sich schon durch die Natur gegebenen und nicht an sich selbst schönen Dertlichkeit ist, oder wie die Baukunft die Zweckmäßigkeit eines für prosaische Zustände

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