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ist vergänglich, schwindend, und in ihrem Aussehen veränderlich, während das Kunstwerk sich erhält, wenn auch nicht die bloße Dauer, sondern das Herausgehobenseyn geistiger Beseelung seinen wahrhaftigen Vorzug, der natürlichen Wirklichkeit gegenüber, ausmacht.

Diese höhere Stellung des Kunstwerkes wird aber dennoch wieder von einer anderen Vorstellung des gewöhnlichen Bewußtseyns bestritten. Denn die Natur und ihre Erzeugnisse, heißt es, seyen ein Werk Gottes, durch seine Güte und Weisheit erschaffeu, das Kunstproduct dagegen sey nur ein Menschenwerk, nach menschlicher Einsicht von Menschenhänden gemacht. In dieser Entgegenstellung der Naturproduction als eines göttlichen Schaffens und der menschlichen Thätigkeit als einer nur endlichen, liegt sogleich der Mißverstand, als ob Gott im Menschen und durch den Menschen nicht wirke, sondern den Kreis dieser Wirksamkeit auf die Natur allein beschränke. Diese falsche Meinung ist gänzlich zu entfernen, wenn man zum wahren Begriffe der Kunst hindurchdringen will, ja es ist dieser Ansicht gegenüber die entgegengesezte festzuhalten, daß Gott mehr Ehre von dem habe, was der Geist macht, als von den Erzeugnissen und Gebilden der Natur. Denn es ist nicht nur Göttliches im Menschen, sondern in ihm ist es in einer Form thätig, die in ganz anderer höherer Weise dem Wesen Gottes gemäß ist, als in der Natur. Gott ist Geist, und im Menschen allein hat das Medium, durch welches das Göttliche hindurchgeht, die Form des bewußten sich thätig hervorbringenden Geistes; in der Natur aber ist dies Medium das Bewußtlose, Sinnliche und Aeußerliche, das an Werth dem Bewußtseyn bei weitem nachsteht. Bei der Kunstproduction nun ist Gott ebenso wirksam wie bei den Erscheinungen der Natur, das Göttliche aber, wie es im Kunstwerk sich kund giebt, hat, als aus dem Geiste erzeugt, einen entsprechenden Durchgangspunkt für seine Existenz gewonnen, während das Daseyn in der bewußtlosen Sinnlichkeit der Natur keine dem Göttlichen angemessene Weise der Erscheinung ist.

d) Ist nun das Kunstwerk als Erzeugniß des Geistes vom Menschen gemacht, so fragt es sich schließlich, um aus dem Bisherigen ein tieferes Resultat zu ziehen, welches das Bedürfniß des Menschen sey Kunstwerke zu produciren. Auf der einen Seite kann die Hervorbringung als ein bloßes Spiel des Zufalls und der Einfälle angesehen werden, das ebenso gut zu unterlassen als auszuführen sey; denn es gäbe noch andere und selbst bessere Mittel das in's Werk zu richten, was die Kunst bezwecke, und der Mensch trage noch höhere und wichtigere Interessen in sich, als die Kunst zu befriedigen vermöge. Auf der anderen Seite aber scheint die Kunst aus einem höheren Triebe hervorzugehen, und höheren Bedürfnissen, ja zu Zeiten den höchsten und absoluten Genüge zu thun, indem sie an die allgemeinsten Weltanschauungen und die religiösen Interessen ganzer Epochen und Völker gebunden ist. Diese Frage nach dem nicht zufälligen sondern absoluten Bedürfniß der Kunst können wir vollständig noch nicht beantworten, indem sie concreter ist, als die Antwort hier schon ausfallen könnte. Wir müssen uns deshalb begnügen für jezt nur Folgendes festzustellen.

Das allgemeine und absolute Bedürfniß, aus dem die Kunst (nach ihrer formellen Seite) quillt, findet seinen Ursprung darin, daß der Mensch denkendes Bewußtsein ist, d. h. daß er, was er ist und was überhaupt ist, aus sich selbst für sich macht. Die Naturdinge sind nur unmittelbar und einmal, doch der Mensch als Geist verdoppelt sich, indem er zunächst wie die Naturdinge ist, sodann aber eben so sehr für sich ist, sich anschaut, sich vorstellt, denkt, und nur durch dies thätige Fürsichsein Geist ist. Dies Bewußtsein von sich erlangt der Mensch in zwiefacher Weise: Erstens theoretisch, insofern er im Innern sich selbst sich zum Bewußtsein bringen muß, was in der Menschenbruft sich bewegt, was in ihr wühlt und treibt; und überhaupt sich anzuschauen, vorzustellen, was der Gedanke als das Wesen findet sich zn firiren, und in dem aus sich selbst Hervorgerufenen

wie in dem von Außen her Empfangenen nur sich selber zu erkennen hat. Zweitens wird der Mensch durch praktische Thätigkeit für sich, indem er den Trieb hat, in demjenigen, was ihm unmittelbar gegeben, was für ihn äußerlich vorhanden ist, sich selbst hervorzubringen, und darin gleichfalls sich selbst zu erkennen. Diesen Zweck vollführt er durch Veränderung der Außendinge, welchen er das Siegel seines Innern aufdrückt, und in ihnen nun seine eigenen Bestimmungen wiederfindet. Der Mensch thut dies, um als freies Subject auch der Außenwelt ihre spröde Fremdheit zu nehmen, und in der Gestalt der Dinge nur eine äußere Realität seiner selbst zu genießen. Schon der erste Trieb des Kindes trägt diese praktische Veränderung der Außendinge in sich; der Knabe wirft Steine in den Strom und bewundert nun die Kreise, die im Wasser sich ziehen, als ein Werk, worin er die Anschauung des Seinigen gewinnt. Dieses Bedürfniß geht durch die vielgestaltigsten Erscheinungen durch bis zu der Weise der Production seiner selbst in den Außendingen, wie sie im Kunstwerke vorhanden ist. Und nicht nur mit den Außendingen verfährt der Mensch in dieser Weise, sondern ebenso mit sich selbst, seiner eigenen Naturgestalt, die er nicht läßt, wie er sie findet, sondern die er absichtlich verändert. Dies ist die Ursache alles Pußes und Schmuckes, und wäre er noch so barbarisch, geschmacklos, völlig verunstaltend oder gar verderblich, wie die Frauenfüße der Chinesen, oder Einschnitte in Ohren und Lippen. Denn nur beim Gebildeten geht die Veränderung der Gestalt, des Benchmens und jeder Art und Weise der Aeußerung aus geistiger Bildung hervor.

Das allgemeine Bedürfniß zur Kunst also ist das vernünftige, daß der Mensch die innere und äußere Welt sich zum geiftigen Bewußtsein als einen Gegenstand zu erheben hat, in welchem er sein eigenes Selbst wiedererkennt. Das Bedürfniß dieser geistigen Freiheit befriedigt er, indem er einerseits innerlich, was ist für sich macht, ebenso aber dies Fürsichsein äußerlich realisirt,

und somit was in ihm ist, für sich und Andere in dieser Verdoppelung seiner zur Anschauung und Erkenntniß bringt. Dies ist die freie Vernünftigkeit des Menschen, in welcher wie alles Handeln und Wissen, so auch die Kunst ihren Grund und nothwendigen Ursprung hat. Ihr specifisches Bedürfniß jedoch im Unterschiede des sonstigen politischen und moralischen Handelns, der religiösen Vorstellung und wissenschaftlichen Erkenntniß werden wir später sehen.

2. Betrachteten wir nun bisher am Kunstwerk die Seite, daß es vom Menschen gemacht sey, so haben wir jezt zu der zweiten Bestimmung überzugehn, daß es für den Sinn des Menschen producirt und deshalb auch aus dem Sinnlichen mehr oder weniger hergenommen werde.

a) Diese Reflerion hat zu der Betrachtung Veranlassung gegeben, daß die schöne Kunst die Empfindung, und näher zwar die Empfindung, die wir uns gemäß finden, die angenehme

zu erregen bestimmt sey. Man hat in dieser Rücksicht die Untersuchung der schönen Kunst zu einer Untersuchung der Empfindungen gemacht, und gefragt, welche Empfindungen denn nun wohl durch die Kunst zu erregen seyen; Furcht z. B. und Mitleid, wie diese aber angenehm seyn, wie die Betrachtung eines Unglücks Befriedigung gewähren könne. Diese Richtung der Reflerion schreibt sich besonders aus Moses Mendelssohn's Zeiten her, und man kann in seinen Schriften viele solcher Betrachtungen finden. Doch führte solche Untersuchung nicht weit, denn die Empfindung ist die unbestimmte dumpfe Region des Geistes; was empfunden wird bleibt eingehüllt in der Form abstractester einzelner Subjectivität, und deshalb sind auch die Unterschiede der Empfindung ganz abstracte, keine Unterschiede der Sache selbst. Furcht z. B., Angst, Besorgniß, Schreck sind freilich weitere Modificationen ein und derselben Empfindungsweise, aber theils nur quantitative Steigerungen, theils Formen, welche ihren Inhalt selbst nichts angehen, sondern demselben gleichgültig sind.

Bei der Furcht z. B. ist eine Existenz vorhanden, für welche das Subject Intereffe hat, zugleich aber das Negative nahen sieht, das diese Eristenz zu zerstören droht, und nun beides, dies Intereffe und jenes Negative als widersprechende Affection seiner Subjectivität unmittelbar in sich findet. Solche Furcht bedingt aber für sich noch keinen Gehalt, sondern kann das Verschiedenste und Entgegengesetteste in sich aufnehmen. Die Empfindung als solche ist eine durchaus leere Form der subjectiven Affection. Zwar kann diese Form theils in sich selbst mannichfach seyn, wie Hoffnung, Schmerz, Freude, Vergnügen, theils in dieser Verschiedenheit unterschiedenen Inhalt befaffen, wie es denn Rechtsgefühl, sittliches Gefühl, erhabenes religiöses Gefühl u. f. f. giebt, aber dadurch, daß solcher Inhalt in unterschiedenen Formen des Gefühls vorhanden ist, kommt noch seine wesentliche und bestimmte Natur nicht zum Vorschein, sondern bleibt eine bloß subjective Affection meiner, in welcher die concrete Sache, als in den abstractesten Kreis zusammengezogen, verschwindet. Deshalb bleibt die Untersuchung der Empfindungen, welche die Kunst erregt oder erregen soll, ganz im Unbestimmten stehn, und ist eine Betrach tung, welche gerade vom eigentlichen Inhalt und dessen concreten Wesen und Begriff abstrahirt. Denn die Reflerion auf die Empfindung begnügt sich mit der Beobachtung der subjectiven Affection und deren Besonderheit, statt sich in die Sache, das Kunstwerk zu versenken und zu vertiefen und darüber die bloße Subjectivität und deren Zustände fahren zu lassen. Bei der Empfindung jedoch ist gerade diese inhaltlose Subjectivität nicht nur erhalten, sondern die Hauptsache, und darum fühlen die Menschen so gern. Deshalb wird aber auch solche Betrachtung ihrer Unbestimmtheit und Leerheit wegen langweilig, und durch die Aufmerksamkeit auf die kleinen subjectiven Besonderheiten widrig.

b) Da nun aber das Kunstwerk nicht nur etwa überhaupt Empfindungen erregen foll, denn diesen Zweck hätte es dann ohne specifischen Unterschied mit Beredtsamkeit, Geschichtsschreibung.

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