ECLOGA I. Μ. Tityre, tu patulae recubans sub tegmine fagi nos patriae finis et dulcia linquimus arva. Ecl. 1. Der Abschied von der Heimat. Diese Ekloge, welche nicht zuerst geschrieben ist, schildert unter allen das volle Glück des Landmannes am treffendsten und vollständigsten. Vergil hatte die Gröfse dieses Glückes wohl niemals lebhafter empfunden, als in der Zeit der Ackerverteilungen. Denn rings um sich sah er die Besitzer von ihren Gütern weichen: ihm hatte Octavianus die Heimat erhalten. Seinen Dank spricht er unter dem Namen des Tityrus SO aus, dass er die Gröfse des ihm gewordenen Glückes durch die Zusammenstellung mit dem Lose eines vor den Veteranen geflohenen Ziegenhirten Namens Meliboeus hervorhebt. Weiter aber geht die Allegorie nicht; denn alles, was sich auf die Individualisierung des Tityrus bezieht, hat mit dem Vergil nichts zu thun, sondern gilt nur von dem Wirtschafter auf dem Gute (dem vilicus). 5 4. In lentus liegt ein kräftiger Gegensatz zu dem fugere. 1-2. Die italischen Hirten weideten ihr Vieh vom Frühling bis in den Spätherbst auf den waldigen Bergen und ergötzten sich dabei durch Gesang und Spiel, silvestris musa (vgl. Einl. p. 15). 6. deus, Octav. nämlich, den er v. 42 iuvenis nennt und nach v. 43 wie einen Lar familiaris verehrt. 7-8. Der Kultus des Augustus wurde erst 30 v. Chr. eingeführt; vgl. Cass. Dio H. R. LI, 19: ἔν τε τοῖς γενεθλίοις αὐτοῦ καὶ ἐν τῇ τῆς ἀ τῆς ἀγγελίας τῆς νίκης ἡμέρᾳ ἱερομηνίαν εἶναι ἔγνωσαν. Vor diesem Jahre können die Verse 7 u. 8 wohl nicht geschrieben sein; denn wenn auch die Gottheit den Alten näher stand als uns, so ist doch das Lob ausgezeichneter Menschen als überirdischer Wesen von dem Gelöbnis regelmässiger Opfer wesentlich verschieden. Da nun die erste Ekloge zu den älteren bukolischen Gedichten des Vergil gehört, so ist es wahrscheinlich, dass der Dichter bei der zweiten Recension der Sammlung beide Verse eingeschoben hat, um den Ausdruck seiner Verehrung der veränderten Stellung des Imperators anzupassen. 8. nostris ab ovilibus ist zu ille meas errare boves, ut cernis, et ipsum M. Non equidem invideo; miror magis; undique totis sic canibus catulos similes, sic matribus haedos agnus nicht im Sinne des Genet. partit. hinzugefügt; die Präp. ab bezeichnet das physische oder geistige Ausgehen von einem Punkte, vgl. unten v. 53. G. III, 2. A. I, 160. 10. ludere, s. z. G. IV, 565. 11. 12. totis agris: in den ganzen Gebieten (näml. der den Veteranen preisgegebenen Städte) vgl. Sueton. Octav. 13: cum . . ipse veteranos in Italiam reducendos et municipalibus agris collocandos recepisset. usque adeo: adeo turbatur, ut subeat animum mirari'. Kolster. magis nähert sich hier, wie öfters, der Bed. von potius, vgl. Catull. 68, 30: id non est turpe, magis miserum est. 14. namque steht auch A. X, 614 mitten im Satze. hoc geht also auf die Vertreibung aus der Heimat, auf das nos patriam fugimus in v. 4. 18. da, sage, wie accipe, höre, A. II, 65. Da Melib. bemerkt hatte, dafs Tityrus den Namen seines Gönners nicht nennen wollte, so sagt er hier nicht: iste deus quis sit. 19. Zur Beantwortung der Frage des Mel. kommt Tit. erst nach langem Umwege von v. 40 an. Die Alten schickten gern die Beschreibung eines Ortes der Erzählung dessen, was sich dort ereignet hat, vorauf, vgl. A. I, 498 sq. II, 21. 512. 713. IV, 457. 490. So auch in Prosa, wie bei Cic. p. r. Dej. 6, 17: cum devertisses, locus erat quidam, in quo cet. 15. conixa, zur Vermeidung des Hiatus statt des sonst in der Bed. gebären gebräuchlichen enixa. 16. Mit denselben Worten schliefst der Vers A. II, 54. 17. Wetterschlag in fruchttragende Bäume sollte nach römischem Aberglauben Böses überhaupt anzeigen, in Ölbäume Mifswachs, in Eichen Landesverweisung: malum 21. depellere. Die Umgegend von Andes war bergig, Mantua aber (nostra urbs) lag in einer Ebene. 22-23. Angabe des Grundes, warum sich Tit. stultus nennt. sic: in solcher Weise, wie ich nämlich eine Ähnlichkeit zwischen Rom und Mantua annahm. Die Anaphora des sic, wofür es in Prosa geheifsen hätte ut. sic, versinn T. M. Et quae tanta fuit Romam tibi causa videndi? Libertas, quae sera tamen respexit inertem, candidior postquam tondenti barba cadebat; respexit tamen et longo post tempore venit, postquam nos Amaryllis habet, Galatea reliquit. namque, fatebor enim, dum me Galatea tenebat, nec spes libertatis erat nec cura peculi. quamvis multa meis exiret victima saeptis, pinguis et ingratae premeretur caseus urbi, 30 35 Freiheit hat erkaufen können. 40 34. ingratae. Mit komischem Eifer schilt Tit. die Stadt undankbar, als ob sie ihm absichtlich den Dank vorenthalte und für seine Waare nicht so viel Geld zahle, dafs er nach gemachtem Einkauf für seine Galatea noch einen vollen Beutel nach Hause bringen könne. 38-39. Metaphorische Belebung sinnlicher Gegenstände; vgl. Ecl. 5, 27 sq. 40-45. Gründe für seine Reise nach Rom: 1) das Verlangen, sich die Freiheit zu erkaufen, 2) die Furcht, es möchte einer der Veteranen sich in den Besitz des Gutes setzen. Vgl. Hor. carm. III, 5, 2. 3: praesens divus habebitur Augustus und serm. II, 6, 52: deos quoniam propius contingis. non umquam gravis aere domum mihi dextra redibat. M. Mirabar, quid maesta deos, Amarylli, vocares, Ꭲ. Quid facerem? neque servitio me exire licebat nec tam praesentis alibi cognoscere divos. hic illum vidi iuvenem, Meliboee, quotannis bis senos cui nostra dies altaria fumant. licht den gleichen Mafsstab, den Tit. an verschiedenartige Dinge legt. 27-35. Die römischen Sklaven konnten sich mit ihrem ersparten Gelde, peculium, die Freiheit erkaufen. An Gelegenheit, sich ein solches peculium zu erwerben, hatte es dem Tit. nicht gefehlt, s. v. 33. 34, aber er war unthätig geblieben und hatte alles erworbene Geld seiner Geliebten Galatea zu Gefallen für Tand ausgegeben, v. 35. Erst als ihm Galatea untreu wurde und ihn die haushälterische Amaryllis fesselte, dachte er, freilich schon in vorgerücktem Alter (v. 28), daran, zu sparen, um sich die Freiheit zu gewinnen, und ging zu diesem Zwecke nach Rom, wo sein Herr, wie die meisten Besitzer gröfserer italischer Landgüter, lebte. 28. postquam c. imperf. von der öfteren Wiederholung und dem bleibenden Zustande. 30. postą. nos Amaryllis habet sagt Tit., nicht postq. ego Amaryllidem habeo, da er es allein dem wohlthätigen Einfluss der Amaryllis zuschreibt, dafs er sich jetzt die 43. Den Laren brachte der Römer an einem der Haupttage jedes Monats, d. h. an den Kalenden, Nonen oder Idus, ein Opfer. Bei diesem wurden 'die Laren bekränzt und ihnen Kuchen und Honig, Wein und Weihrauch, auch wohl Opfertiere, insbesondere ein Schwein, ge hic mihi responsum primus dedit ille petenti: 45 50 Hyblaeis apibus florem depasta salicti 55 saepe levi somnum suadebit inire susurro; т. Ante leves ergo pascentur in aequore cervi, opfert'. Marquardt, Röm. Staatsverw. III. 125. Die Verse 42 น. 43 sind, wie v. 7 u. 8, wohl erst bei der zweiten Recension in das Gedicht eingeschoben. 44. primus. Octavianus war der erste, der dem Tit. auf sein Befragen (petenti) volle Beruhigung über sein zukünftiges Verbleiben auf dem Gute seines Herrn gab. 45. tauros submittere, Zuchtstiere aufwachsen lassen, s. G. III, 73. 159. 46. tua ist das Prädikat, vgl. E. 3, 23. 9, 4. 47. et tibi, für dich, den Genüg samen. 48-57. In den Worten des Meliboeus, welcher mit gebrochenem Herzen (aeger v. 13) das Glück des ungestörten Besitzes schildert, sind absichtlich die Hinweisungen auf den Wert der Heimat, mag sie an sich auch noch so wenig reizend sein, gehäuft. Vgl. v. 51 hic, nota; v. 53 hinc, quae semper; v. 56 hine; v. 57 tua cura. 49. gravis fetas, die schwachen (G. III, 95) Mutterschafe, vor und nach der Geburt. temptare, angreifen, von ungesunden Nahrungsmitteln und Krankheiten, s. G. III, 441. 51. flumina. Der Plur. ist veranlasst durch den Gegensatz der flumina ignota, die Melib. aufsuchen muss und gerechtfertigt durch den Gedanken an die Krümmungen und Kanäle des Mincius. 53. Über das Part. Perf. depasta, das scheinbar für das Part. Praes. steht, s. z. A. VI, 335. — Aus dem folg. suadebit ist zu den W. quae semper das Perf. suasit zu ergänzen; semper, immer bisher, vgl. E. 6, 15. - Da das Weidengeflecht eines Zaunes nicht alljährlich ausschlägt, so ist hier unter saepes ein lebendiger Zaun von Weiden, d. h. eine durch eine Reihe von Weiden gebildete Grenzmark zu verstehn. 54. Hyblaeis apibus, Bienen, die so würzigen Honig tragen, wie in den Thymianfeldern der sicilischen Stadt Hybla; vgl. E. 7, 37. 56. Über die Beschäftigungen des Winzers s. G. II, 365 ss. canet ad auras vgl. A. X, 459: ad aethera fatur. 57. cura, bei Dichtern oft zur Bezeichnung des Gegenstandes der sorglichen Liebe; ähnlich ignis E. 3, 66. furor E. 10, 38. 59-63. Enthusiastischer Aus et freta destituent nudos in litore pisces, ante pererratis amborum finibus exul 60 aut Ararim Parthus bibet aut Germania Tigrim, quam nostro illius labatur pectore voltus. pars Scythiam et rapidum certe veniemus ad Oxum 65 et penitus toto divisos orbe Britannos. en umquam patrios longo post tempore finis, pauperis et tuguri congestum caespite culmen, post aliquot mea regna videns mirabor aristas? impius haec tam culta novalia miles habebit, barbarus has segetes; en quo discordia civis produxit miseros: his nos consevimus agros! insere nunc, Meliboee, piros, pone ordine vitis. 70 druck der Dankbarkeit gegen den Octavianus: eher sollen Tiere und Völker ihre Wohnsitze mit einander vertauschen etc. 60. freta dest. Dem Elemente, in welchem die Fische leben, wird die von diesen ausgehende Thätigkeit zugeschrieben, vgl. A. VII, 676-77. IX, 67. 61. exul hiess jeder, der sich nicht in seinem Vaterlande aufhielt, s. A. V, 51. 62. Die beiden Flüsse, von denen der Arar kein germanischer und der Tigris kein parthischer Strom war, stellt der Dichter zusammen, weil die Parther, wenn sie den Tigris, die Germanen, wenn sie den Arar überschritten, das Gebiet römischer Gewaltherrschaft betraten. 64-66. In seiner Verzweiflung betrachtet sich Melib. als einen Exilierten und bezeichnet die entlegensten Länder der drei Erdteile als einzige Zufluchtsstätten. Da durch Scythiam Asien noch nicht bestimmt bezeichnet war, denn auch in Europa wohnten Scythen, so war ein weiterer Zuzatz nötig, der durch Erwähnung des schlammreichen Oxus, von dem Curt. VII, 10 sagt: Oxus quia limum vehit turbidus semper est, gegeben wird. tannos. Der Acc. der Ortsrichtung steht bei Völkernamen hier wohl zuerst. Er ist auch später sehr selten angewendet. Vgl. Dräger, Histor. Synt. I, 395. 65. Scythiam. Der Ländername, wie nicht selten auch in Prosa, wie ein Städtename konstruiert. - rapidum. So nennt auch Prisc. Perieg. 724 den Oxus; vgl. auch Avien. 925: Sugdias ingenti quam flumine dissicit Oxus und 927 : (hic) per prolixos evectus protinus agros Caspia propellit fluctu freta. certe, gewiss vgl. A. I, 328. - Über die Lesarten cretae u. Oaxen s. d. Anh. 66. toto div. orbe. Durch den Oceanus wurde Britannien von der den Römern bekannten Erde ge trennt. 67. en leitet einen in eine Frage gekleideten Wunsch ein, vgl. E. 8, 7. 69. post nimmt das vorherg. longo post tempore wieder auf, also: später einmal. Ebenso steht ante G. II, 261 mit Bezug auf das vorhergehende multo ante. aliquot ar., nur spärliche Ahren, weil der jetzige Besitzer, der impius miles, vielleicht gar ein Ausländer, der im römischen Heere gedient hatte, alles wird verwildern lassen. 73. insere, pfropfe, vgl. E. 9, 50. 64. ibimus Afros .. et .. 66 Bri- G. II, 69. Übrigens ist die Auf |