im einzelnen eine grosse Verschiedenheit von Homer, die sowohl durch die Verschiedenheit der Zeiten und Nationen, als auch durch die persönliche Neigung Vergils zum Beschreiben und Ausmalen herbeigeführt war. Während die Sprache Homers einfach und natürlich ist, seine Gleichnisse oft nur einzelne charakteristische Züge bieten, die Reden seiner Helden durchaus nur schlichte Herzensergüsse sind, ist Vergils Sprache durchweg gewählt und erhaben, sind seine Gleichnisse vollständig ausgeführt und sorgsam ins Detail ausgemalt, atmen seine Reden durchgängig rhetorischen Charakter. Vergils Darstellung ist ferner im Vergleich zu der rein objektiven des Homer mehr subjektiv, d. h. die Reden und Thaten der Helden werden dem Leser nach dem gemütlichen Anteile, den der Dichter selbst daran nahm, vorgeführt: darum ist die Aeneide so reich an rührenden, das Herz mächtig ergreifenden Stellen. Rechnet man dazu Vergils tiefe Kenntnis des menschlichen Herzens, seine Kraft in der Darstellung der Leidenschaften, die Geschicklichkeit, mit welcher er einzelne Goldkörner aus den Werken der altertümlichen Dichter Naevius und Ennius seinem Epos einzuverleiben und in würdige Umgebung zu versetzen verstand, endlich die Ausbildung, welche er der dichterischen Sprache und dem Hexameter gab, ja die Gewalt, welche er über beide übte und sie zwang, den darzustellenden Gedanken sinnlich auszumalen, wie, um nur ein Beispiel anzuführen, in dem bekannten Verse A. VIII, 596: quadrupedante putrem sonitu quatit ungula caтрит so erscheint das Urteil der Römer, welche in ihm ihren gröfsten epischen Dichter verehrten, hinlänglich gerechtfertigt. Sein Werk bildete bald in Rom und den Provinzen die Grundlage aller litterarischen und künstlerischen Bildung. Es wurde in den Schulen gelesen, von den Freunden der schönen Litteratur mit Vorliebe besprochen, von den Grammatikern kommentiert, von den Dichtern nachgeahmt. Als schon lange der Pontifex nicht mehr mit der schweigenden Jungfrau zum Kapitol hinanstieg, schöpften die Gebildeten der grossen Nationen noch aus ihm die Lehren uralter Weltweisheit, den Ausdruck frommer Gesinnung und die Norm für jene Heldentugend, in deren Bethätigung die edelsten Männer des Mittelalters ihre ganze Kraft einsetzten. P. VERGILI MARONIS BUCOLICON In den Eklogen erhob sich Vergil von dem sorgsamen Nachahmer des Theokrit zu dem selbständigen Meister der bukolischen Poesie. Seine ersten Versuche gingen unmittelbar aus den Übungen im Übersetzen der sicilischen Idyllen hervor. Er stellte zuerst sinnverwandte Verse und Strophen zu einem Gedichte zusammen (E. 2, v. 6-30), dessen Grundgedanken er nach freier Disposition erweiterte (E. 2, v. 31-73). Dann legte er einer eigenen Dichtung das Thema und die Disposition einer Idylle des Theokrit zu Grunde (E. 3). Nachdem er in diesen Nachbildungen seine Kraft erprobt hatte, begann er mit seinem Vorbilde erst in einzelnen Strophen (E. 9), dann in ganzen Liedern (E. 5 und 8) zu wetteifern. Auch erfand er Hirtengespräche, die er in der Anschauungsweise und in der Sprache seines Meisters durchführte (E. 7). Endlich benutzte er die Wendungen des bukolischen Liedes zum Ausdruck von Gedanken und Empfindungen, welche zwar noch dem Hirtenleben angehörten, aber schon in engster Beziehung zu den politischen Ereignissen seiner Zeit standen (E. 1). Doch blieb er in der ersten Periode seines Dichterlebens (42-32 v. Chr.) innerhalb der Grenzen der reinen Idylle. Als er sich aber nach der Veröffentlichung der Georgica und der Beendigung eines nicht unbedeutenden Teils der Aeneis zum zweiten Male der bukolischen Dichtung zuwandte, behielt er nur den Ton und die Anlage der Idylle bei, behandelte aber in dieser ihm lieb gewordenen Form Gegenstände, welche aufserhalb ihres eigentlichen Gebietes lagen. Er dichtete ein Lied auf den Tod seines Freundes Gallus (E. 10), besang in einem andern die Einführung desselben in den Kreis der Sänger, welche nach der Vorstellung der Alten in ewiger Ruhe nach dem Tode ihre Kunst pflegten (E. 6), und erflehte in einem dritten von den Göttern die Erscheinung eines Genius, welcher das Friedenswerk des Augustus als sein Nachfolger vollenden sollte (E. 4). Um dem Geschmack seiner Zeitgenossen und den veränderten politischen Verhältnissen zu entsprechen, änderte er in dieser zweiten Recension auch einzelne Stellen der älteren Gedichte. Die Träger der Handlung sind in allen Eklogen die Hirten und ihre Götter. Die Hirten erscheinen uns in Vergils Gedichten als betriebsame Landleute, die zugleich Gärtnerei, Bienenzucht, Weinbau und Jagd treiben und in den Mussestunden Wirtschaftsgeräte anfertigen, d. h. aus Binsen Körbe, Seigen, Käseformen u. s. w. flechten, E. 2, 71-72.10, 71. Mit der sie umgebenden Natur fühlen sie sich so eng verwachsen, dass nach ihrer Anschauung die Fluren samt den Wäldern und Tieren Freude und Leid mit ihnen treulich teilen, vgl. E. 1, 38. 39. 5,25-28.60-64. 10, 13-16. Beim Weiden des Viehes tragen sie den Hirtenstab (pedum, E. 5, 88, das Homer. καλαῦροψ, ΙΙ. 23, 845) von knotigem Dorn, Wachholder oder Olivenholz, unten mit einer eisernen Pike, die ein Ring von Erz oder Kupfer im Schafte befestigte, und werfen ihn unter die Herden, wenn sie diese von einem gefährlichen Orte zurücktreiben wollen, E. 3, 96. Wie der Hirtenstab, so ist die Rohrflöte oder Syrinx ihr unzertrennlicher Gefährte. Die einfachste Flöte war die einröhrige Halmpfeife (avena E. 1, 2, calamus E. 1, 10, fistula E. 3, 22, arundo E. 6, 8, cicuta E. 2, 36. 5, 85); künstlicher war die siebenröhrige Syrinx (E. 2, 36), welche aus neben einander stehenden, stufenweis abnehmenden Röhren bestand und oft aus Schierling verfertigt wurde. Auf diesen Rohrpfeifen ersannen (meditari) und spielten sie die Melodieen zu ihren Liedern, und zwar so, dass die Rohrpfeife zum Vorspiel oder zum Zwischenspiel zwischen den einzelnen Absätzen eines längeren Liedes benutzt wurde. Denn gesangslustig und gesangskundig waren die Hirten: während sie ihre Herden weideten, besangen sie entweder ihr Liebesglück und ihre Liebespein, oder verherrlichten durch ihren Gesang das Urbild der sicilischen Hirten, den Daphnis, den schönsten und gesangskundigsten Hirten, den Sohn des Merkur und einer Nymphe, welchen Pan selbst in der Musik unterrichtet haben sollte. War dem Hirten ein solches Lied besonders gut gelungen, so ritzte er es auch wohl zur Unterstützung seines Gedächtnisses in frische Buchenrinde, E. 5, 13. 14. 10, 53.54. Treffen zwei Hirten zusammen, so entsteht oft unter ihnen ein Wettstreit im Gesang; ein benachbarter Hirte wird in der Regel zum Schiedsrichter ernannt, ein schön gearbeiteter Hirtenstab oder eine kunstvoll zusammengesetzte Syrinx, oder Hausgeräte, wertvolle Arbeiten berühmter Künstler, oder auch wohl ein Stück aus der Herde werden zum Kampfpreis gesetzt; die Reihenfolge der Sänger wird bestimmt und die Hirten wetteifern nun mit einander im Wechselgesange (alternis versibus Ε. 7, 18. δι ̓ ἀμοιβαίων ἄειδον Theokr. VIII, 61). Es gab zwei Arten dieser amöbäischen Lieder: die erste bestand darin, dass der Vorsänger irgend einen Gedanken in 2-4 Versen vortragen mufste, worauf der Nachsänger auf der Stelle in ebensoviel Versen denselben Gedanken weiter ausführen, oder seinen Gegensatz hinstellen, in beiden Fällen aber den Vorsänger, sei's in poetischer Färbung des Ausdrucks, sei's in Energie des Gedankens, zu überbieten suchen musste. Der Inhalt dieser Liederchen wechselte rasch und konnte sowohl in eigenen Erlebnissen als in witzigen Erdichtungen oder einfachen Naturbildern bestehen. Solche Wechselgesänge haben wir E. 3 von v. 60 und E. 7 von v. 21 an. Die zweite Art des Wechselgesanges bestand in grösseren Liedern von einer gleichen Anzahl Verse, welche teils in einem Zuge fortgesungen wurden, wie E. 5, 20-44 und 5680, teils in eine gleiche Anzahl Strophen gebracht wurden, die durch einen stets gleichlautenden Vers (Refrain), versus intercalaris genannt, von einander getrennt waren; der versus intercalaris musste eine gleiche Anzahl Verse einschliessen, wie die achte Ekloge zeigt, welche von v. 16 an ein amöbäisches Lied dieser Art enthält. VERZEICHNIS der Wörter, welche zuerst in den Eklogen Vergils vorkommen; die Wörter, welche von Vergil selbst gebildet sein können, sind mit gesperrter Schrift gedruckt. Acanthus. E. 3, 45. 4, 20. Baccaris. E. 4, 19. 7, 27. Caltha. E. 2, 50. Carectum. E. 3, 20. Faginus. E. 3, 37. Mulctra. E. 3, 30. Murex. E. 4, 44. Myrica. E. 4, 2. 6, 10. 8, 54. Ornus. E. 6, 71. 20. Supervolitare. E. 6, 81. Thymum. E. 5, 77. Vergil I. 7. Aufl. 2 |