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freys Historia entwickelt hatte. Er spricht von Albina, von Albion, von Joseph von Arimathia, er erwähnt die Kämpfe des Brutus Grünschild mit Brunhildis, der Fürstin von Hennegau 297 und schreibt dem alten Brutus außer der Gründung Londons auch die der Stadt Lincoln zu.298 Man hat neuerdings wieder 299 untersucht, welchen Quellen der Dichter seine Nachrichten verdanken könnte. Die verschiedenen Chroniken, die man zur Erklärung herbeigezogen hat, genügen jedoch nicht, um alle die Einzelheiten zu deuten; und zudem haben moderne Forscher 300 darauf aufmerksam gemacht, daß es nicht der Art der Elisabethaner entspreche, verschiedene Quellen zu benützen, wahrscheinlich habe Spenser ein uns verloren gegangenes Werk benützt. Es ist in der Tat unwahrscheinlich, daß Spenser bei der Abfassung der Feenkönigin verschiedene Quellen benützt hat, es ist aber deshalb nicht unbedingt nötig, ein verlorenes Werk als Quelle anzunehmen. Spenser kann vieles, was er aus der mündlichen Tradition kannte, verwendet haben; auch mögen damals verschiedene Exemplare der bekannten Chroniken im Umlauf gewesen sein, in die die Besitzer Ausführungen und Nachrichten anderer Chronisten handschriftlich eingetragen hatten.301 Für des Dich

297 Vgl. B. 2, C. 10, St. 23, 24.

298 Vgl. B. 3, C. 9, St. 51: His worke great Troynovant, his worke is eke / Faire Lincolne, both renowmed far away.

299 Vgl. außer der ältern Arbeit von G. W. Kitchin: Spenser, Book 2 of the Faery Queene, 4th ed., Oxford 1857, Notes, pag. 22 ff.; Carrie Anna Harper: The sources of the British Chronicle History in Spenser's Faerie Queene, Philadelphia 1910.

300 Vgl. Fr. Brie in seiner Rezension der Arbeit Harpers in den Englischen Studien 44, pag. 403.

301 Vgl. The private diary of Dr. John Dee and the catalogue of his library of manuscripts. Ed. by James Orchard Halliwell,

ters Darstellung der Kämpfe des Brutus und seiner Genossen mit den Riesen auf Albion kennen wir bis heute keine Quelle. Nachdem er das bekannte Treffen zwischen Goëmot und Corineus geschildert hat, erzählt er vom Kampf zwischen Debon und dem Riesen Coulin einerseits, zwischen Canutus und dem großen Godmer, dem Sohne des abscheulichen Albion, anderseits.302 Es ist möglich, daß der Dichter hier frei schöpferisch tätig gewesen ist; Debon und Canutus, die wir uns wohl als Begleiter des Brutus zu denken haben, sind aus den Namen Devon und Kent erschlossen; der Hinweis auf berühmte Felsen und Steinblöcke jedoch deutet an, daß wir es mit lokalen Traditionen zu tun haben. Die Gestalten Coulins und Godmers 303 hat der Dichter wohl der volkstümlichen Überlieferung entnommen. Die Kämpfe der Genossen des Brutus mit den Riesen sind

London 1842. (Publications of the Camden society O. S. 19), pag. 4 (1578): I told Mr. Daniel Rogers, Mr. Hackluyt of the Middle Temple being by, that Kyng Arthur and King Maty, both of them, did conquier Gelindia, lately called Friseland, which he so notes presently in his written copy of Monumethensis.

302 Vgl. B. 2, C. 10, St. 10, 11: But ere he (sc. Brutus had estab lished his throne, / And spred his empire to the utmost shore, / He fought great batteils with his salvage fone; In which he them defeated evermore, / And many Giaunts left on groning flore:

That well can witnes yet unto this day / The westerne Hogh, besprincled with the gore / Of mighty Goëmot, whome in stout fray / Corineus conquered, and cruelly did slay. // And eke that ample Pitt, yet far renownd / For the large leape which Depon did compell Coulin to make, being eight lugs of grownd, / Into the which retourning backe he fell: / But those three monstrous stones doe most excell,/ Which that huge sonne of hideous Albion, / Whose father Hercules in Fraunce did quell, / Great Godmer threw, in fierce contention, / At bold Canutus; but of him was slaine anon. Vgl. auch B. 3, C. 9, St. 50.

303 Der letztere ist wohl erst nachträglich zum Sohne Albions gemacht worden.

ja schon im 14. Jahrhundert literarisch behandelt worden.304

Ausführlicher als Spenser hat William Warner von den Britenkönigen erzählt. Sein Werk, Albion's England, ist eine poetische Geschichte Englands von Brutus bis zu Jakob I.305 Von den Stadtgründungssagen abgesehen, werden in mehr oder weniger knapper Form, mehr oder weniger monoton, fast alle die bekannten Gründungssagen vorgetragen, die Sage von den ersten Einwohnern, die Brutussage, die Sage von Gathelus, dem Sohne Cecrops, und Scota, die Sage von Hengist und Vortigern, Warner berichtet auch die Geschichte von Havelok, sowie die von Osbert. Von einer Aufzählung der kleinen Eigenheiten der Warnerschen Version der verschiedenen Sagen sehen wir ab, da diese für eine allgemeine Betrachtung zu geringfügig und höchstens für Quellenuntersuchungen von Wert sind und heben bloß einige der interessanteren Stellen hervor. Über dem Durchschnitt der Darstellung steht die Schilderung der Rache der von Locrine verlassenen Guendolene. Nachdem ihr Gatte im Kampf ums Leben gekommen ist, läßt sie ihre Rivalin Estrildis und deren Tochter ertränken. Sie mögen nach Humbers Seele fischen und ihm Nachricht bringen, wie sich Locrines Weib an Locrines Buhlin rächte. Weder die Schönheit der Lilienhände der Tochter ihres Gatten, noch deren Tränen und Bitten vermögen das beleidigte Weib zu versöhnen. Reizend ist auch der Gedanke, den unglücklichen Leir sprechen zu lassen, seine Stadt, die er in den Tagen seines Glückes gebaut habe, möge ewig stehen,

304 Vgl. R. Sternberg: Über eine versificierte mittelenglische Chronik, Englische Studien 18, pag. 366.

305 Erste Ausgabe 1586, 13. Bücher.

um, den spätern Geschlechtern zur Warnung, die Geschichte von ihres Gründers Fall zu erzählen.306 Das 20. Kapitel des 4. Buches hat Warner der Geschichte Haveloks gewidmet. Sie ist so eigenartig erzählt, daß es sich lohnt, ihren Inhalt hier wiederzugeben. King Edel und King Adelbright regieren zusammen in „Diria“. Als der letztere stirbt, stellt er seine Tochter Argentile unter den Schutz Edels. Dieser sucht sie jedoch um ihr Erbe zu prellen. Als der dänische Prinz Curan Argentile sieht, faßt er eine tiefe Liebe zu ihr. Er nähert sich ihr, da Edel jeden adligen Bewerber von ihr fernhält, als Küchenjunge. Er gesteht ihr seine Liebe, sie aber erklärt ihm, daß sie unvermählt bleiben wolle. Da König Edel die Werbung des Küchenjungen begünstigt, weil sein Mündel als dessen Gattin niemals Herrscherin werden kann, flieht Argentile. Nachdem dies Curan zu Ohren gekommen ist, verläßt auch er den Hof. Er flieht die Städte, zieht sich auf das Land zurück, wo er als Hirte ein einfaches und friedliches Leben führt. Da macht er eines Tages die Bekanntschaft der Tochter eines Kuhhirten und lernt sie lieben. Wie ein Volkslied mutet die Darstellung der Liebe dieser beiden jungen Menschen stellenweise an. Curan erzählt dem Mädchen von seinem Beruf, schildert ihm die Schönheit seiner frühern Geliebten, die er mit den Gestalten des römischen Götterhimmels vergleicht. Und schließlich gesteht er ihr, daß er Curan heiße, und daß sein Vater Herrscher zu Kirkland sei. Das Mädchen es ist Argentile das durch Curans Reden

306 Vgl. The works of the English poets, from Chaucer to Cowper, ed. by Dr. Samuel Johnson, London 1810, vol. 4, Buch 3: Thou Towne whose walles rose of my wealth, / Stand evermore to tell Thy founders fall, and warne that none / Do fall as Leir fell.

stutzig geworden ist, erkennt ihn und gibt sich nun
auch seinerseits zu erkennen. Argentile liebt Curan und
will sein Weib werden. Curan macht jetzt die Rechte
seiner Gattin geltend und nimmt den Kampf mit König
Edel auf. Er gewinnt Diria und Brenitia und nimmt
schließlich dem Betrüger Krone und Leben.

Der Dichter hat es sehr gut verstanden, Liebes-
szenen darzustellen. Noch heute freuen wir uns an
den Versen über die Liebe des Owen Tudor und der
Königin Katharina. Die Zeitgenossen mögen für diese
zwei Personen ein besonderes Interesse gehabt haben,
erzählte doch Warner, daß Owen Tudor, zwar nicht
von Brutus, dessen Geschlecht ließ er, wie andere Dich-
ter und Chronisten, mit Ferrex und Porrex aussterben,
aber vom britischen König Cadwallader abstammte.307

-

Noch im 17. Jahrhundert hat Brutus unter den Dich-
tern einen Verteidiger gefunden. 1612 erschienen die
ersten 18 Bücher des ,,Polyolbion" von Michael Drayton.
Polyolbion schon der Name ist typisch 308 ist
eine in Alexandrinern abgefaßte poetische Chorographie,
ein Reiseführer, in dem jeder berühmte Turm erwähnt
wird, keine Heide, über die irgendeine Geschichte um-
geht, vergessen bleibt. Drayton erzählt in seinen Schil-
derungen der verschiedenen Landschaften viel von den

307 Vgl. Buch 4, c. 29: The queene and this brave gentleman
/ Did marry, and their seede Began that royall race that did, /
Doth, and may still succeede, / In happie empire of our throne, /
A famous line in deede; Buch 4, c. 34 zu Heinrich VII.: But
that Cadwallader's fore-doomes / In Tuder's should effect / Was
unexpected, save that God / Doth destinies direct.

808 Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts sprechen sowohl Dichter
als Chronisten gerne von Britannien, Großbritannien, Albion. Nicht
immer jedoch wollen sie dadurch dem Einheitsgedanken Ausdruck
geben; vgl. die Einleitung zu Warners Albion's England.

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