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daß an der Stelle des jetzigen Towers, dessen Entstehung auf Wilhelm den Eroberer zurückgeht, eine Festung gestanden habe. Jedenfalls hat Cäsar damit nichts zu tun. Geoffrey sagt auch nichts dergleichen. Was er von Cäsar berichtet, ist folgendes 64: Nachdem Cäsar zum zweitenmal von den Briten zurückgeschlagen worden war, zog er mit seiner Flotte wieder nach der Morinischen Küste zurück. Hier hatte er zu Odnea eine Festung bauen lassen. Er fürchtete die Unbeständigkeit der Gallier, die er nach seinem ersten Zug nach Britannien kennen gelernt hatte. Nun sollte ihm der Turm einen sichern. Zufluchtsort bieten.65 Gervasius Tilberiensis 66 spricht von Dodres, was nach San Marte genau stimmt zum Tour d'Ordre, dem Turris Ordans oder Ordensis bei Boulogne, der von Caligula als ein Leuchtturm erbaut worden sein soll. Jedenfalls hat der Turm nichts mit dem Tower zu tun. Wer zuerst davon gesprochen hat, daß Cäsar den Tower erbaut hat, vermögen wir nicht zu sagen; um diese Frage zu entscheiden, müßte man das gesamte noch ungedruckte Material durchforschen. Die Frage ist jedoch nicht so wichtig; es genügt zu wissen, daß später der Tower als Werk Cäsars galt. Warum wurde er mit Cäsar in Verbindung gebracht? Es ist wohl kaum anzunehmen, daß der Charakter der verhaßten Festung schuld ist, daß man sie als ein Werk der Römer auffaßte. Es gibt andere Erklärungsmöglichkeiten. Cäsar hatte nach Geoffrey einen Turm gebaut; der Turm par

64 Lib. 4, cap. 7.

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Morinorum littus petivit. Ingressus est deinde quan. dam turrim quam in loco qui Odnea vocatur construxerat, antequam Britanniam hac vice adivisset.

66 Vgl. SM. Kommentar, pag. 257, 26.

excellence aber war für den Engländer des Mittelalters der Tower; man könnte auch denken, daß der Name Odnea, der ja schon bei Gervasius Tilberiensis als Dodres erscheint, verlesen worden wäre zu Londres; die beste Erklärung scheint uns jedoch die zu sein, daß die Römer eben als Meister des Lager- und Festungsbaus galten, und daß deshalb der Tower ihnen zugeschrieben wurde, oder besser gesagt demjenigen Römer, von dem die Tradition mit Vorliebe sprach. Wir haben ja schon in unsern allgemeinen Betrachtungen über die Städtegründungssagen darauf hingewiesen, daß auch in Frankreich, dort allerdings mit besserm Grund, fast alle Lager und Festungen als Werke Cäsars angesprochen wurden, und wir werden noch hören, daß auch in England verschie dene Schlösser als Bauten Cäsars galten. Nun berichtet der italienische Humanist Polidore Virgil in seiner englischen Geschichte von einer Tradition, die folgendes erzählte Der Britenkönig Elidur sei von seinen Brüdern Peridorus und Vigenius gefangen genommen und eingekerkert worden, und zwar an der Stelle, welche heute Tower heiße. Dieser Bericht basiert auf Geoffrey.68 Er spricht von einem turris urbis Trinovantinae. Hat er damit etwa den Tower gemeint? Nein. Auch andere Städte hatten ihren Turm; jedenfalls ist zu bedenken, daß ja die Regierungszeit des Elidurus vor die Zeit der römischen Invasion Cäsars fällt, daß also Geoffrey nicht

67 Vgl. Three books of Polydore Vergil's English history, ed. Sir Henry Ellis, London 1844, Publications of the Camden society, O. S., vol. 29, pag. 40.

68 Lib. 3, cap. 18: duo residui fratres Vigenius et Peredurus collectis undique armatis cum illo (sc. Eliduro) praeliari aggre diuntur. Potiti vero victoria, ceperunt illem, et intra turrim urbis Trinovantinae incluserunt, imponentes custodes.

daran gedacht hat, daß der Tower erst von Cäsar gebaut worden sei. Die Tradition konnte allerdings die Stelle leicht auf den Tower beziehen, wie aus der Darstellung Virgils ersichtlich ist.69 Auch die Dichter Dunbar und Shakespeare reden in ihren Werken von Cäsars Turm, dem Tower70, und obgleich die Humanisten mit Verachtung von dieser Behauptung sprachen, so wurde der Tower in der Zeit der Königin Elisabeth doch den Fremden als ein Werk Cäsars gepriesen.71

Daß auch die Gründer der Tore oft erwähnt werden, ist für das Mittelalter selbstverständlich. Es war schon davon die Rede, daß Geoffrey Ludgate als ein Werk König Luds deutete; ein anderes Tor, Belinesgata, bringt er mit König Belin in Verbindung.72 Auch hier haben wir es mit Namenausdeutungen zu tun. War einmal von einem König Belin die Rede, dann lag es auf der Hand, in ihm den Gründer des Tores zu suchen.73

69 Op. cit., pag. 40: Elidorus was againe created kinge whome his younger brothers Peridorus and Vigenius, throughe disceyte, toke prisoner at London, committinge him to prison in that place which is now called the Towre, as yeat remaininge; the which being well embateled with manie turrets, whereof it hathe the name, the vulgars surmise to have been erected by Julius Caesar, whoe, indeed, made noe mention of London, bie cause he cam not thither.

70 Vgl. Songs, carols and other miscellaneous poems, ed. Roman Dyboski (London 1907, E. E. T. S. E. S. 101), pag. 100: A treatice of London by William Dunbar, v. 5: By Julius Sesar thy Tour fownded of olde / May be the hows of Mars victoryall. Shakespeares Richard II. 5, 1, 1: This way the king will come; this is the way / To Julius Caesar's ill-erected tower.

71 Vgl. Marcks Königin Elisabeth und ihre Zeit, pag. 93. 72 Vgl. lib. 3, cap. 10: Fecit etiam in urbe Trinovanto januam mirae fabricae super ripam Tamesis, quam de nomine suo cives temporibus istis Belinesgata vocant.

73 Es ist wahrscheinlich, daß Geoffrey diese Bemerkung nicht in seiner Quelle fand, daß er selbst die Spuren des Wirkens der

b) York.

Geoffrey berichtet über die Gründung von York, die vor der Expedition Agricolas stattgefunden hat, folgendes: Als Mempricius gestorben war, folgte ihm in der Regierung sein Sohn namens Ebraucus, ein Mann von großer Kraft und gewaltigem Körper, nach, 40 Jahre lang trug er die britische Krone. Er war der erste König nach Brutus, der ein Heer nach Gallien hinüberführte, um nach siegreich geschlagenen Schlachten mit Gold und Silber beladen wieder zurückzukehren. Dann gründete er jenseits des Humber die Stadt, die nach ihm den Namen Kaerebrauc, das heißt Stadt des Ebraucus trägt. Damals regierte König David in Judäa, Silvius Latinus in Italien; und Gad, Nathan und Asaph prophezeiten in Israel. Er gründete auch die Städte Alclud gegen Albanien, und Berg Agned, das jetzt Mädchenburg heißt und Schmerzensberg. Seine 20 Gemahlinnen schenkten ihm 20 Söhne und 30 Töchter. (Der älteste heißt Brutus Grünschild; die Namen werden alle mitgeteilt.) Die Töchter schickte er nach Italien zu Sylvius Alba, der nach Sylvius Latinus regierte, wo sie mit edeln Trojanern vermählt wurden. Die Söhne jedoch zogen unter der Führung ihres Bruders Assaracus mit einem Heer nach Germanien, wo sie mit Hilfe des Sylvius Alba die Herrschaft erlangten.

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Neuerdings hat P. Feuerherd diese Charakteristik alten Britenkönige, von denen sein liber berichtete, suchte und gewisse Bezeichnungen mit ihren Namen erklären wollte.

74 Lib. 2, cap. 7:

75 Deinde trans Humbrum condidit civitatem quam de nomine suo vocavit Kaerebrauc, hoc est urbem Ebrauci. . . Condidit etiam Ebraucus urbem Alclud, Albaniam versus, et oppidum montis Agned: quod nunc Castellum Puellarum dicitur, et Montem Dolorosum.

76 Diss., pag. 36 ff.

des Königs Ebraucus einer scharfen Kritik unterzogen. Er hat herausgefunden, daß sie aussieht wie eine Komposition der drei alttestamentlichen Könige .Saul, David und Salomo. Galfrid habe, wir erinnern uns, daß Feuerherd in Geoffrey den Schöpfer der Historia sieht, von jeder dieser Personen hervorragende Eigenschaften losgelöst, sie vereinigt und auf seinen britischen Fürsten übertragen. Er zitiert Bibelstellen, die von Sauls hoher Statur und Davids wunderbarer Kraft sprechen. Ganz abgesehen davon, daß die Angaben in einem andern Zusammenhang gemacht werden, daß nicht die geringste wörtliche Ähnlichkeit aufzuzeigen ist, ist es psychologisch unrichtig, anzunehmen, Geoffrey habe seinen Satz vir magnae staturae et mirae fortitudinis geschrieben in Anlehnung an die verschiedenen Bibelstellen. Doch hören wir zuerst weiter. Ebraucus, heißt es, treibt Vielweiberei wie David und Salomo, Ebraucus hat wie David eine ganze Anzahl Söhne, Ebraucus baut wie Salomo feste Städte, Ebraucus bringt wie Salomo aus der Fremde Silber und Gold nach Hause. Saul, David und Salomo regierten wie Ebraucus 40 Jahre. Berechtigen uns diese „Parallelen“, Feuerherd zu glauben? Warum wird gerade Ebraucus mit den Eigenschaften der drei Könige ausgestattet? Warum hat Geoffrey andere Eigenschaften Salomos,,aufgespart", um den weisen Britenkönig Dunwallo schaffen zu können?

Nicht erklärt sind mit der Bibel die Namen der Söhne und Töchter, die Fahrt der ersten nach Germanien und die der letztern nach Italien.

Warum wird Ebraucus zum Gründer verschiedener Städte im Norden gemacht? Nun, Geoffrey hat eben aus dem Stadtnamen Eboracum den Gründer Ebraucus er

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