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weiht, es scheint aber, daß er sein Amt nicht angetreten hat. Er starb 1147 zu Llandaff und wurde in der dortigen Kirche beigesetzt.

Außer der genannten Historia scheint Geoffrey noch zwei andere Werke geschrieben zu haben, die Vita Merlini und die Prophezeiungen Merlins.

1. Die Vita Merlini.

Es wird immer wieder behauptet, Geoffrey sei nicht der Verfasser dieses lateinischen Gedichts. Gewöhnlich wird geltend gemacht, dieselben Dinge würden hier anders erzählt als in der Historia. Man weist etwa auf die Erzählung von der Einnahme Cirencesters durch König Gormund hin, mit der wir uns noch zu befassen haben werden. Es ließen sich noch verschiedene andere Unterschiede aufführen. Ohne diese aufzuzählen, darf man behaupten, daß eine abweichende Darstellung noch kein Beweis gegen Geoffreys Autorschaft ist, es liegen Jahre zwischen den Werken. Tedder3 setzt die Vita ins Jahr 1149. Der Verfasser wendet sich darin an den neuen Bischof von Lincoln und bittet ihn, ihm mehr Gunst zu bezeigen als sein Vorgänger Alexander. Dies stimmt sehr gut zu dem, was wir von Geoffrey wissen, denn für Alexander hatte er eine größere Arbeit angefertigt, von der wir jetzt zu sprechen haben.

2. Die Prophezeiungen Merlins.

Dieses zweite Werk Geoffreys ist eine Übersetzung. Als er an der Historia arbeitete und am Ende des 6. Buches angelangt war, wo er von der Begegnung des Britenkönigs Vortigern mit dem Zauberer und Propheten Merlin erzählt, habe man ihn, so berichtet er im 1. Ka

3 Geoffrey, DNB.

pitel des 7. Buches, von allen Seiten gebeten, die Prophezeiungen dieses Propheten zu übersetzen (ipsius prophetias edere). Speziell habe sich der Bischof Alexander von Lincoln dafür interessiert. Als zweites Kapitel gibt er dann den Brief, den er an den Kirchenfürsten abgesandt hat. Er sagt da, abgesehen von den Worten der üblichen Selbsterniedrigung, er sei dazu gedrängt worden, die Prophezeiungen Merlins aus dem Britischen ins Lateinische zu übersetzen, und zwar vor der Beendigung der Taten der Britenkönige, deren Geschichte er zu schreiben angefangen habe. Er gibt auch zu verstehen, daß ihm diese Unterbrechung der Arbeit im Interesse einer gediegenen Leistung nicht erwünscht war. (Cogit me, Alexander Linconiensis praesul, nobilitatis tuae dilectio Prophetias Merlini de Britannico in Latinum transferre, antequam historiam perarassem, quam de gestis regum Britannorum inceperam: proposueram enim illam prius perficere et istud opus subsequenter explicare: ne dum uterque labor ingrueret, sensus meus ad singula minus sufficeret). Kapitel drei und vier bringen dann die Übersetzung.

Da man, wie wir bald hören werden, allen Aussagen Geoffreys mit großem Mißtrauen gegenüber steht, hat man bisher geglaubt, die Prophezeiungen seien sein eigenes Werk und er versuche bloß, eine Übersetzung vorzutäuschen. Nun hat aber Rupert Taylor1 dargetan, daß es sich wirklich um eine Übersetzung handelt, und daß wir dieses Werk, das mit Hilfe von symbolischen Tiergestalten die Wiederherstellung der Herrschaft der Wälschen voraussagt, nicht als eine bloße Nachahmung

The political prophecy in England, Columbia University Studies in English, New York 1911.

biblischer und antiker Prophezeiungen erklären können. Daß die wälschen Barden im 12. Jahrhundert von zukünftigen Dingen gesungen haben, ist uns durch Giraldus Cambrensis bezeugt. Geschah dies erst im Anschluß an Geoffreys,,Erdichtung"? Prophezeiungen mußten schon im 11. Jahrhundert, dem Zeitalter der dänischen Herrschaft und der normännischen Eroberung, auf den Kelten einen starken Reiz ausüben. Geoffrey scheint die Prophezeiungen herausgegeben zu haben, bevor er mit der Historia zu Ende war. Ordericus Vitalis, der von letzterer nichts wußte, erwähnt im 12. Buch seiner Historia Ecclesiastica ein libellum Merlini, das vor Dezember 1135 zu setzen ist. Es steht außer Zweifel, daß wir uns unter diesem libellum eine Ausgabe der Prophezeiungen vorzustellen, wie wir sie aus dem 7. Buch der Historia regum Britanniae kennen, zu deren Besprechung wir nun übergehen.

II. Die Historia regum Britanniae.
Inhaltsübersicht.

(Um die späteren Ausführungen verständlicher zu machen, geben wir hier zunächst eine kurze Zusammenfassung, wobei wir die Geschichte von Brutus, dem Trojaner, die Darstellung der sächsischen Eroberung und der Arthurzeit bloß andeuten, da diese Perioden im Folgenden ausführlich behandelt werden).

Nachdem Geoffrey Britannien, die beste aller Inseln, beschrieben hat, beginnt er seine Geschichte mit Äneas. Er erzählt: Brutus, der Urenkel des Äneas, floh, nachdem er den Tod seiner Eltern verschuldet hatte, nach

5 John Edwin Wells: A manual of the writings in middle English. New Haven, London, Oxford 1916, first supplement 1919, pag. 39.

Griechenland. Hier wurde er von den unter griechischem Joch lebenden Trojanern zum Führer gewählt, besiegte den Griechenkönig Pandrasus und heiratete dessen Tochter. Dann führte er seine Scharen unter mancherlei Schwierigkeiten nach Britannien, vertrieb das Riesengeschlecht, das im Besitz der Insel war und baute an den Ufern der Themse Neutroja. Nach seinem Tod teilten die drei Söhne Locrin, Camber und Albanact das Land unter sich. Unter deren Nachfolgern erlebten die Trojaner, die nach Brutus Briten genannt wurden, gute und böse Zeiten. Mempricius, der Großsohn Locrins, war ein abscheulicher Tyrann, der seinen Bruder tötete und seine Gattin verstieß. Sein Sohn Ebraucus war der erste Britenfürst, der Gallien bekämpfte. Beutebeladen war er als Sieger in die Heimat zurückgekehrt. Er baute York jenseits des Humber, sowie die Städte Dumbarton, Edinburgh und Schmerzensberg (montem dolorosum). Von seinen zwanzig Söhnen folgte ihm Brutus Grünschild in der Königswürde nach. Dessen Sohn Leir baute im Norden des Reiches die Stadt Kaerleir. Ihm folgte Hudibras, der mit starker Hand die Geschicke seines Staates lenkte und für Ruhe und Ordnung sorgte. Er war der Gründer von Canterbury, Winchester und Shaftesbury. Seinem Nachfolger, König Bladud, verdankt die Stadt Bath mit ihren berühmten warmen Quellen ihren Ursprung. Er war ein großer Zauberer und führte die schwarze Kunst in Britannien ein. Schließlich fand er bei einem kühnen Flugversuch einen raschen Tod. Sein Sohn Leir war der Erbauer von Leicester. Als Greis brachte er durch eine kindische Frage, die er an seine Töchter stellte, Unglück über sein Haus. Seine Tochter Cordelia ging aus den Kämpfen, die um Macht

und Herrschaft entbrannten, als Siegerin hervor. Sie wurde aber später von ihren Neffen, die sich der Herrschaft einer Frau nicht fügen wollten, gestürzt und eingekerkert, worauf sie freiwillig in den Tod ging. Es folgte nun eine böse Zeit für Britannien. Mehr als einmal kam es zum Brudermord, und der Verfall des Reiches war das Resultat der Wirren. Schließlich entstanden fünf Königreiche, deren Herrscher sich gegenseitig befehdeten. Nach langen Jahren schweren Kampfes gelang es endlich Dunwallo Molmutius, alle Kleinkönige zu besiegen und die alte Reichseinheit wieder herzustellen. Er erließ berühmte Gesetze, denen er im ganzen Reiche Nachdruck zu verschaffen wußte. Seine beiden Söhne Belinus und Brennius teilten das Reich. Brennius der jüngere strebte jedoch nach Alleinherrschaft. Von Brennius geschlagen, begab er sich zum Fürsten der Allobroger, der ihm versprach, ihn gegen seinen Bruder zu unterstützen. Dieser befaßte sich unterdessen mit der Verbesserung des Rechtes, sowie des Verkehrs; er ließ vier große Straßen bauen, die die Insel von einem Ende zum andern durchquerten. Brennius versuchte nun, seine Rachepläne auszuführen. Er segelte mit großer Truppenmacht nach Britannien hinüber. Schon standen sich die Heere gegenüber, als es der Mutter im letzten Moment gelang, die Brüder zu versöhnen. Von nun an verfolgten sie gemeinschaftlich ihre Ziele und wurden zum Schrecken der Welt. Sie besiegten die Franken und nahmen nach schweren Kämpfen sogar Rom ein. Während Brennius in Italien blieb, marschierte Belin nach Britannien zurück und widmete sich Werken des Friedens. Er sorgte für Recht und Gesetz, ließ alte Städte wieder herstellen und neue bauen, wie zum Bei

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