Page images
PDF
EPUB

DIE

PRAGER VERGIL-HANDSCHRIFT.

[ocr errors]

In der Bibliothek des Prager Metropolitan-Domcapitels von St. Veit findet sich unter der Signatur L 86 eine Vergilhandschrift, welche die Bucolica, Georgica und die Aeneis enthält. Diese den Herausgebern unbekannte Handschrift hat zuerst Prof. J. Kelle beschrieben Die klassischen Handschriften bis herauf zum vierzehnten Jahrhundert in Prager Bibliotheken," welche Abhandlung in den Publicationen der böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften Ser. VI Bd. V 1872 sich findet. Bezüglich des Alters der Handschrift bemerkte Kelle: „Der Codex ist mit Karolingischer Minuskel im neunten Jahrhundert geschrieben" (S. 7). Durch Kelle's Bericht auf diese Handschrift aufmerksam gemacht verglich ich zunächst einige Partien derselben und da ich an mehreren Stellen Beweise für die Wichtigkeit dieses Codex gefunden zu haben glaubte, collationierte ich denselben sodann ganz, was mir durch die dankenswerthe Liberalität des Herrn Domcapitulars Frind, der mir die Handschrift für längere Zeit überliess, möglich wurde. Da durch diese Collation die schon früher gefasste Meinung von dem nicht gering anzuschlagenden Werth der Handschrift bestätigt worden ist, so halte ich eine genauere Beschreibung derselben für angemessen.

Die Handschrift (ich bezeichne sie II)*) enthält 198 Blätter Folioformat; auf jeder Seite finden sich regelmässig 34 Verse.

Auf der inneren Seite des Deckels steht ganz oben von später Hand geschrieben: Isti Vergiliani sunt Mauricij de Kunicz, wozu von anderer Hand hinzugefügt ist nuc vero Mathie de Gehniedna, und weiter unten auch von später, aber wieder anderer Hand:

*) Zum Unterschiede von einer anderen Prager Vergilhandschrift (x), welche in der Universitätsbibliothek unter der Signatur VIII H 21 sich findet. Diese dem 13. Jahrhundert angehörige Handschrift erwähnte Hanslik, Kelle hat sie S. 11. beschrieben. Dieselbe ist, wie ich mich überzeugt halte, werthlos.

Iste liber fuit Mauricij de Kunicz. In quo cotinetur virgiliani. Nunc vero est Mathie de Gehnyedna cognomiato Slkornie que de libraria domus naconis Bohemorum exemit pro alijs duobus Voluibus eandem materiam continentibus et hoc ad tpa Vite sue. A X. 1449.

Auf der ersten Seite des letzten Blattes nach dem Schluss der Aeneis steht von später Hand:

Publij Virgilij Maronis Eneydorum liber explicit. Deo semper grates. Amen.

Dann von später (anderer) Hand:

Iste fuit Liber Mauricij de Kunicz bis correctus nuc vero est Mathie de Gehniedna.

In dem Codex selbst ist nicht alles von alter Hand (des 9. Jahrhunderts) geschrieben, sondern eine Anzahl von Blättern ist von anderen (späteren) Händen beschrieben.*)

Auf dem ersten (später eingelegten) Blatt stehen (von später Hand) ziemlich viele Epigramme: Versus super epitafium Virgili, und zwar zuerst die Verse: Mantua me genuit etc., dann 2 Verse (des Propertius) Cedite romani scriptores etc., dann verschiedene andere Verse von Palladius, Pompelianus, Maximianus, Vitalis, Basilius u. a.

Auf dem zweiten (ebenfalls später eingelegten) Blatt, d. i. auf dem ersten Blatt des Vergiltextes beginnen die Bucolica; auf beiden Seiten dieses Blattes sowie auch auf der (abgekratzten) Vorderseite des folgenden (dritten) Blattes sind die Verse von späteren Schreibern (des 15. Jahrh.) geschrieben, und zwar auf beiden Seiten des zweiten Blattes (Buc. I 1-64) von derselben Hand, auf der Vorderseite des dritten Blattes (Buc. I 65-II 15) von anderer (aber ziemlich ähnlicher) Hand. Erst auf der Rückseite des dritten Blattes beginnt (mit Buc. II 16) die alte Schrift des 9. Jahrh.

Weiter ist statt des herausgeschnittenen neunten Blattes ein neues Blatt eingelegt; auf der Vorderseite dieses Blattes sind von späterer Hand geschrieben die Verse Bucol. VI 53—86, auf

*) Vgl. Kelle a. O. S. 7.

der Rückseite von anderer späterer Hand Buc. VII 1—34; und zwar stimmt die Hand fol. 9a überein mit fol. 3a, fol. 9b mit fol. 2.

Fol. 10 a ist auch von späterer Hand beschrieben (Bucol. VII 35-70), die aber von 9 a sowie von 96 verschieden ist.

Fol. 10 b erscheint wieder die alte Schrift, die mit Bucol. VIII 1 beginnt und ununterbrochen bis fol. 176 (Aen. XI 460) geht. Darauf folgt eine später eingelegte Lage fol. 177-184 mit Versen Aen. XI 461-XII 50. Fol. 177-182 (Aen. XI 461-855) ist von derselben Hand beschrieben wie fol. 9a; die Schrift fol. 183 und 184 (Aen. XI 847-XII 50) ist dieselbe wie fol. 9b und fol. 2.*)

Hierauf kommt wieder eine alte Lage fol. 185-192 mit alter Schrift von fol. 185 a bis fol. 192 a incl. (Aen. XII 45-526). **)

Von fol. 1926 bis zu Ende, d. i. fol. 198 ist alles von später Hand geschrieben (Aen. XII 527-fin.), und zwar stimmt die Hand fol. 192b (Aen. XII 527-561) überein mit fol. 9a, und die Hand von fol. 193-198 mit fol. 9 b.

Fol. 198 a endet der Vergiltext, worauf die oben erwähnte Clausel und die Angabe des früheren und dermaligen Besitzers folgt. Fol. 198 b stehen sodann von später Hand die Verse, die sich bei Donatus finden: Nocte pluit tota etc. fertis aratra boves.

Darauf folgt: Enee historia sub breuitate sic habetur Dardanus ortus ex ioue et electra filia atlantis cet. Im Ganzen nimmt diese prosaische „Enee historia" 22 Zeilen ein.

Endlich steht auf dieser letzten Seite:
Argumentu primi libri Eneidos

Eneas primo libie depellitur oris

Vir magnus nulli bello pietate secundus cet.,

worauf noch 9 Verse folgen; es sind dieselben, welche aus anderen Handschriften O. Ribbeck (P. Vergili Mar. opera. Prolegomena critica S. 370) hat abdrucken lassen. In der Prager

*) Die Verse Aen. XI 847-855 kommen zweimal vor, und zwar fol. 182 b fin. und von anderer Hand fol. 183 a princ.

**) Die Verse Aen. XII 45-50 kommen zweimal vor, von später Hand am Ende von fol. 184b und von alter Hand am Anfange von fol. 185 a

« PreviousContinue »